Schule und Kita ohne Quarantäne - kann das funktionieren? 

Stand: 20.01.2022, 15:21 Uhr

Die Corona-Neuinfektionen steigen immer weiter - und Ärzte fordern das Ende der Quarantäne in Kitas und Schulen. Was bedeutet das für Kinder, Jugendliche und Lehrer?

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland erreicht täglich neue Höchstwerte: Das Robert Koch-Institut meldete zuletzt innerhalb eines Tages rund 134.000 neue Fälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bundesweit inzwischen bei knapp 639. In NRW ist die Inzidenz in drei Städten sogar über die Marke von 1.000 gestiegen: in Bonn, Krefeld und Solingen.

Und es ist noch lange nicht vorbei: Gesundheitsminister Lauterbach hat am Mittwoch im ZDF bekräftigt, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle vermutlich erst Mitte Februar kommt – mit möglicherweise Hunderttausenden Neuinfektionen pro Tag. Was heißt das für den Alltag von Kita-Kindern und ihren Erzieher:innen, für Schüler und ihre Lehrer:innen? Hier die Antworten zur Lage in NRW.

Was empfehlen Kinderärzte?

Für Deutschlands obersten Mediziner für Kinder-Infektionskrankheiten ist die Sache klar: Er fordert ein Ende der Quarantäne für Kita- und Schulkinder. "Kontaktpersonen gehören bei regelmäßiger Testung und negativem Ergebnis in die Kita oder in die Schule. Für sie sollte die Quarantänepflicht aufgehoben werden, wo sie noch besteht", sagte Tobias Tenenbaum, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), in der Donnerstagsausgabe der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Tenenbaum sprach sich dagegen aus, dass besorgte Erzieherinnen und Erzieher oder Gesundheitsämter Abertausende Kinder unnötig vom Unterricht fernhielten.

"Die Virusverbreitung durch Kita- oder Schulschließungen zu verhindern, das ist jetzt nicht mehr der richtige Weg." Tobias Tenenbaum, Präsident DGPI

"Mit Blick auf die Massenansteckungen appellieren wir hier dringend zu Pragmatismus. Es dürfen keine ganzen Klassen oder Kita-Gruppen heimgeschickt werden, nur weil ein Kind positiv getestet worden ist. Denn das wird in den kommenden Wochen dauernd passieren", sagte Tenenbaum. "Eine Quarantäne nach der anderen, das käme für unzählige Familien einem Lockdown gleich."

Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln, sagte am Donnerstag dem WDR, es müsse die soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen gesichert werden. Es sei wichtig, den richtigen Zwischenweg zu finden: "Wir dürfen nicht die Kontrolle über die Pandemie verlieren, und gleichzeitig ist es ganz entscheidend, dass wir Kindern und Jugendlichen die Freiheiten geben, die sie für ein normale altersentsprechende Entwicklung brauchen."

Was sagen Lehrkräfte und Erzieher:innen dazu?

Der Vorschlag der Kinderärzte trifft bei der Bildungsgewerkschaft GEW auf Kritik: "Das Infektionsgeschehen wird von Tag zu Tag dynamischer", sagte die NRW-Landesvorsitzende Ayla Çelik am Donnerstag dem WDR. "Deshalb ist es aus unserer Sicht jetzt geboten, den Gesundheitsschutz der Beschäftigten und der Kinder auszuweiten und nicht einzudampfen."

Jetzt über weitere Lockerungen zu sprechen, sei aus Sicht der Beschäftigten nicht zu verantworten. "In Kitas gibt es noch immer keine verlässlichen Testkonzepte, den Schulen fehlt ein Plan B", so Gewerkschafterin Çelik. "In dieser sensiblen Situation brauchen alle Beteiligten – Kinder, Beschäftigte und Familien – das Gefühl, dass mit Weitblick agiert wird und die Sorgen wahrgenommen werden."

Wie gefährdet sind Kinder und Jugendliche?

Die Omikron-Variante sei für Kinder in der Regel nicht gefährlich, erklärt Tenenbaum und verweist auf internationale Studien sowie eigene Beobachtungen. "Von den Kindern, die wegen Corona-Symptomen aufgenommen werden, sehen wir zurzeit so gut wie keine schweren Verläufe. Es handelt sich um Einzelfälle und immer mit besonderen Risikofaktoren wie starkem Übergewicht."

Aber auch Kinder und Jugendliche würden durch Impfungen vor schweren Verläufen geschützt. "Deswegen sollten alle Kinder geimpft werden, vordringlich natürlich diejenigen mit Risikofaktoren."

Auch für die ganz Kleinen gibt es gute Nachrichten: Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder im Alter von null bis fünf Jahren wegen einer Omikron-Infektion ins Krankenhaus müssen, sei drei Mal kleiner als bei der Deltavariante. Das sagte Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln, am Donnerstag dem WDR. Allerdings: Wenn die Welle explosionartig verlaufe und sich viele Kinder ansteckten, kämen auf die Kliniken höhere Belastungen zu.

Wie ist die Corona-Lage in den NRW-Kitas?

Die Zahlen der positiven Tests von Kita-Kindern und Mitarbeitenden sind zum Jahreswechsel gestiegen. Nach Angaben des NRW-Familienministeriums wurden dieses Jahr bisher etwa 1.930 positive Corona-Tests bei Kindern und rund 1.440 positive Tests bei Mitarbeitenden gemeldet (Stand: 17. Januar).

Zum Vergleich: Im gesamten Dezember habe es bei rund 3.010 Kindern und 1.800 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen positiven Corona-Test gegeben. Das Familienministerium wies daraufhin, dass Tests teilweise auch noch rückwirkend gemeldet werden.

Durchschnittlich seien an einem Wochentag im Januar rund 46 Kitas teilweise und rund zwölf komplett wegen Infektionsschutzmaßnahmen geschlossen gewesen, so das Ministerium mit. Das seien insgesamt 0,6 Prozent der Kitas.

Wie sieht es in NRW-Schulen aus?

In der vergangenen Woche seien gut 20.000 Schülerinnen und Schüler infiziert gewesen, sagte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch. Das entspreche einem Anteil von 0,99 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in den Schulen. Zudem seien mit rund 28.000 Schüler:innenn 1,38 Prozent in Quarantäne gewesen.

Bei den Lehrerinnen und Lehrern waren laut Gebauer gut 1.700 infiziert, weitere gut 1.000 in Quarantäne. Insgesamt hätten 3,1 Prozent der Lehrer nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können.

Präsenz-, Wechsel- oder Distanzunterricht: Wie geht es weiter?

"Ich möchte alles dafür tun, dass die Kinder in Präsenz verbleiben. Das ist das oberste Gebot", sagte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch. Wechselunterricht in aufgeteilten Lerngruppen sei die "schlechteste Alternative". Die Aufteilung der Klassen erfordere den höchsten Aufwand, werde den Kindern aber am wenigsten gerecht.

Für den Fall, dass einzelne Schulen vom Präsenzunterricht abweichen müssen, gebe es bereits Regelungen, so Gebauer. Xueling Zhou von der Landesschüler:innenvertretung NRW hat hingegegen die Sorge, dass es wieder zu Schulschließungen kommen könnte. Sie sagte am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin: "Unser zentrales Anliegen ist jetzt die Rückkehr zum Wechselunterrichtmodell, weil wir sagen, dass der Distanzunterricht katastrophal war."

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