Risiko von Schönheits-OPs in der Türkei

Via Instagram zur Beauty-OP: Das Risiko von Schönheits-Trips in die Türkei

Stand: 08.09.2022, 11:34 Uhr

Auf Social Media werben plastische Chirurgen aus der Türkei mit verlockenden Vorher-Nachher-Bildern. Gefährliche Komplikationen werden verschwiegen. Für Maria wurde es richtig gefährlich.

Von Doro Werkman und Lars Tepel

Hinweis: In diesem Beitrag sind Bilder offener Wunden zu sehen.

Eine junge Frau räkelt sich einladend auf dem Bett. Perfekter Po, kein Gramm Fett zu viel. Wer weiterklickt in der Bildergalerie, bekommt ihr "altes" Ich zu sehen: eine normale Frau mit normalen Kurven - nur weniger attraktiv inszeniert. Statt auf weißen Laken und in Reizwäsche dreht sich die Frau bei Umkleidekabinen-Licht einmal um sich selbst.

Gepostet hat diese Vorher-Nachher-Galerie ein Istanbuler Chirurg auf seiner Instagram-Seite, für jeden sichtbar. Dazu schreibt er:

"Eine unserer besten Transformationen im Jahr 2018. Das Foto ist sechs Monate später entstanden. Glaubt mir oder nicht, es ist die gleiche Person."

Solche Vorher-Nachher-Bilder türkischer Chirurgen finden sich massenhaft auf Social Media. Auch Frauen in Deutschland lassen sich davon beeindrucken. Eine von ihnen ist Maria (Name von der Redaktion geändert).

Maria wollte größere Brüste - jetzt droht eine Blutvergiftung

Vor drei Monaten hat sich Maria in Istanbul ihre Brüste vergrößern und straffen lassen. Seitdem heilt eine Seite der Brust nicht zu, ein Loch klafft unter ihrem rechten Busen. Die Brust ist entzündet. "Ohne Ende" trete Flüssigkeit aus, erzählt die 31-Jährige.

Marias Brust ist entzündet, das Implantat muss raus.

Marias Brust ist entzündet, das Implantat muss raus.

Der WDR hat sie einen Tag vor ihrer Korrektur-Operation in Deutschland getroffen. Das Implantat muss dringend raus, sonst droht eine lebensbedrohliche Blutvergiftung, so ihr Arzt.

Dass eine solche Komplikation auftreten kann, war Maria nach eigenen Angaben nicht bewusst. Bei ihr waren vor allem die tollen Vorher-Nachher-Bilder auf Instagram hängen geblieben.

"Es sind schon viele Bilder dabei gewesen, wo man sagt: Wow, also da hat er wirklich was Tolles gezaubert." Maria, ehemalige Patientin eines Istanbuler Chirurgen

Ästhetisch-plastischen Chirurgen in Deutschland sind solche Vorher-Nachher-Bilder nach dem Heilmittelwerbe-Gesetz verboten. Patienten könnten schnell dazu verleitet werden, sich einer medizinisch nicht-notwendigen Operation zu unterziehen. Risiken werden so verharmlost. Und als aussagekräftig gelten solche Bilder ohnehin nicht: Sie zeigen nur die besten Ergebnisse, meist sind sie auch noch nachbearbeitet.

"Patienten könnten glauben, dass, wenn sie diese Bilder sehen, dass das immer so ist. Und das ist eben auch nicht so. Gerade bei diesen Vorher-Nachher-Bildern, die häufig eben geschönt sind oder eben auch gar nicht die Realität widerspiegeln, weil es natürlich immer nur die besten Fälle sind, das heißt, man täuscht den Patienten", erklärt Dr. Christoph Krüss, der selbst als plastischer Chirurg tätig ist und in Deutschland als Experte gilt.

OP-Planung per Whatsapp-Chat

Wen die Hochglanz-Bilder auf Social Media beeindrucken, dem wird die Kontaktaufnahme zu den Chirurgen in der Türkei leicht gemacht: Oft sind Telefonnummern gleich mit angegeben, kategorisiert nach verschiedenen Ländern. Je nachdem, woher die Patienten anreisen.

Auch Marias Chirurg gibt auf seiner Seite eine Telefonnummer für Patientinnen und Patienten aus Deutschland an. Via Whatsapp nahm Maria Kontakt auf, ihr antwortete eine Assistentin, die Deutsch spricht.

"Dann ging das eigentlich ganz schnell. Ich musste ihr Bilder zukommen lassen und dann habe ich einen Kostenvoranschlag bekommen."

3.700 Euro bezahlt Maria für die Brustvergrößerung und -straffung, etwa 5.000 bis 6.000 Euro günstiger als in Deutschland. Der Aufenthalt im 5-Sterne-Hotel ist inklusive. Den bucht die Klinik gleich mit.

Alles wirkt wie ein Rund-um-Sorglos-Paket. Auf Risiken wird Maria vor ihrem Flug nach Istanbul nicht hingewiesen. Auch Kontakt mit dem Chirurgen gibt es vorher nicht.

Operation in Istanbul: Schnell rein, schnell raus

An einem Sonntag fliegt Maria im Frühjahr nach Istanbul. Noch am selben Tag findet das Narkosegespräch statt. Der Anästhesist spricht Türkisch, eine Dame übersetzt auf Englisch. Beide Sprachen beherrscht Maria gar nicht oder schlecht. Sie war davon ausgegangen, dass die Assistentin der Klinik dabei ist und übersetzt.

Am nächsten Tag findet die OP statt - und das erste Gespräch mit dem Chirurgen. Vorher bezahlt sie noch die 3.700 Euro in bar. Eine Quittung erhält sie nicht.

Etwa 15 Minuten hat das Gespräch gedauert, erinnert sich Maria. Der Arzt sprach Türkisch, die Assistentin übersetzte. 15 Minuten inklusive Anzeichnen der zu operierenden Stellen, Aufklärung über die OP und deren Risiken und den weiteren Behandlungsverlauf.

Und auch hier erhält Maria nach eigenen Angaben nichts Schriftliches - weder den OP-Vertrag noch den Aufklärungsbogen.

Nachsorge? Fehlanzeige!

Zurück in Deutschland nach der OP bemerkt sie gleich, dass etwas nicht stimmt und die Wunde nicht richtig zu verheilen scheint. Als sie die Assistentin anschreibt, rät die ihr, sich mit der Hausapotheke zu behelfen. Kontakt zum Chirurgen gibt es wieder nicht.

Auszug aus Marias Chatverlauf mit der Assistentin des Chirurgen.

Die Assistentin rät Maria per Chat zum Griff in die Hausapotheke.

Wochenlang probiert es Maria mit Desinfektion und Wundheilsalbe, bevor sie sich schließlich an einen deutschen Facharzt wendet. Der diagnostiziert ihr eine Wundheilungsstörung und rät dringend zu einer schnellen Entfernung des Implantats. Wegen des Lochs unter der Brust drohe eine Sepsis.

Die Klinik in Istanbul sieht das anders. Sie bietet eine Nach-OP an mit Säuberung der Wunde. Mehr nicht. Marias Facharzt, der auch als Gutachter arbeitet, Prof. Philip Zeplin, sagt: "Das wäre nie zugeheilt." Er rät zu einer Entfernung des Implantates. Konsequenz für Maria: Sie muss sich einer Operation unterziehen.

Möglicherweise steht in ein paar Monaten also eine weitere OP an, zum Aufbau der Brust. Inklusive aller Kosten hätte Maria die OP auch gleich in Deutschland durchführen lassen können. Die gesetzlichen Krankenkassen kommen für solche Folgekosten nach medizinisch nicht notwendigen Operationen in der Regel nicht auf.

Im Rahmen der Recherche hat der WDR mit weiteren Patientinnen des Istanbuler Arztes gesprochen. Was sie erlebt haben und mit welchen dubiosen Social-Media-Maschen Billig-Ärzte in der Türkei noch arbeiten, erfahren Sie unter diesem Link:

Es gibt natürlich auch sehr gute Chirurgen im Ausland. Wie man die findet, dazu hat die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) eine Checkliste veröffentlicht: