Das Bild ist schwarz weiß. Darauf ein ganz kleiner Babyfuß, der eine Fußkette aus zwei Perlen trägt, die einen Engel darstellen sollen. Der Fuß gehört zu einem verstorbenen Baby, das ist einem hellen Handtuch liegt.

Sternenkindfotografie: "Noch nie wichtigere Bilder gemacht"

Stand: 11.11.2022, 15:42 Uhr

In der schlimmsten Zeit eines Elternpaares ist Isabelle Lidke aus Bochum da. Sie ist Sternenkindfotografin und hält die letzten Momente von Eltern und Kind für immer fest.

Von Janina Ribeiro

Isabelle Lidkes Handy liegt auf dem Wohnzimmertisch. Immer in ihrer Nähe. Falls die Alarm-App geht. Dann muss sie schnell sein. Denn, wenn der Alarm geht, liegt gerade ein Kind im Sterben.

Isabelle Lidke fotografiert auf Wunsch der Eltern verstorbene Kinder. Ehrenamtlich und aus vollem Herzen. Wenn ein Kind geboren wird, das nicht mehr lange zu leben hat, lässt sie alles stehen und liegen, um den Eltern mit ihrer Arbeit zu helfen.

"Es gibt mir mehr als es mir nimmt"

Die Fotografin Isabelle Lidke hat braune, sehr lange Haare, trägt eine schwarze Lederjacke und schaut nach links unten. Nur ihr Kopf und ihre Schultern sind im Bild. Sie hält sich ihre Hand an ihr Kinn und schaut andächtig.

Isabelle Lidke, Sternenkind-Fotografin

Hauptberuflich ist Isabelle eigentlich Familien- und Hochzeitsfotografin. Dieses Ehrenamt gibt ihr aber nochmal etwas ganz anderes: "Die Kinder liegen manchmal so fern von den Eltern. Wenn ich es dann schaffe, diese Brücke zwischen Kind und Eltern zu bauen, das ist so eine Erfüllung, das kann man kaum in Worte fassen."

Nachdem Isabelle über ihre App für Sternenkindfotografen alle Infos für den Einsatz bekommt, packt sie so schnell es geht ihre Foto-Tasche und nimmt kleine Accessoires mit fürs Shooting: Holz-Herzchen, Kreuzchen, kleinste Windeln oder Strampler. Sie fotografiert sogar die Allerkleinsten, wenn sie beispielsweise in der 17. Schwangerschaftswoche tot geboren werden.

Emotionale Arbeit

Seit vier Jahren ist Isabelle Lidke schon Sternenkindfotografin. Über eine Kundin, bei der das Baby verstorben war, ist sie auf die Sternenkind-Fotografie aufmerksam geworden.

Bis heute eine besonders emotionale Arbeit für sie: "Auch, wenn ich mal weine, die Eltern sind meist nie böse, das ist dann gemeinsames Trauern um das Kind, das verstorben ist." Mit den Fotos schafft sie für die Eltern eine Erinnerung an ihr verstorbenes Kind, die ihnen niemand mehr nehmen kann.

Das Bild ist schwarz weiß. Eine Mutter beugt sich über ihr auf einer Liege liegendes Baby und hält den Kopf und die Beinchen fest. Sie sieht traurig aus und berührt mit ihrer Nase das Gesicht des Babys. Das Baby trägt einen hellen Body.

Isabelle hat auch Nicole und ihren Sohn Lillebror begleitet. Nicole hat ihn in der 38. Schwangerschaftswoche tot geboren. Für Nicole war ganz klar: auch wenn das Kind keine Chance hat, möchte ich Fotos haben: "Es ist das Einzige, was man jetzt in die Hand nehmen kann. Wenn du nicht gucken willst, dann guckst du halt nicht, aber wenn du es nicht hast, ärgerst du dich dein ganzes Leben lang."

Ein Andenken, das bleibt

Die Sternenkind-Fotografin ist eine der wenigen, die das Kind kennenlernen durfte. Dadurch ist eine besondere Verbindung zwischen Fotografin und Mutter entstanden. "Ich denke ganz oft an Isabelle. Man weint dann auch immer, man ist traurig, aber man freut sich auch." Und so fühlt es sich auch für Isabelle an: "Es ist so vertraut. Man teilt halt einen Moment, der so intim und krass ist."

"Ich weiß, dass es für irgendetwas gut ist"

Und genau dieses Gefühl will Isabelle in ihren Fotos festhalten. Danach ist ihre Arbeit aber noch nicht zu Ende. Sie macht viel mehr - nämlich Seelsorge für die Eltern und das teilweise über Jahre hinweg.

Dieses Ehrenamt hat ihren Blick auf das Leben verändert: "Ich weiß, dass es für irgendetwas gut ist. Ich glaube, ich habe noch nie wichtigere Bilder gemacht als die. Das erfüllt mich wirklich extrem, da stehe ich voll hinter."

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