Polizeigewalt: Schwere Vorwürfe gegen Dortmunder Polizisten

Stand: 24.06.2022, 08:40 Uhr

Teil 2/2

Von Christof Voigt

Anwältin berichtet von weiteren Vorfällen auf der Wache Nord

Das seien keine Einzelfälle, sagt die Anwältin von Anna Neumann und Sabine Schönfeld, Lisa Grüter. Sie habe "zahllose Gespräche" geführt und es sei ihr "unglaublich häufig" von Fehlverhalten einiger Beamter der Wache Nord berichtet worden: "Das sind sehr häufig Mandanten, die sich entscheiden, keine Strafanzeige zu stellen, weil sie keine Beweise haben und fürchten müssen, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird und dann vielleicht noch mit Gegenverfahren geantwortet wird."

Lisa Grüter teilt die Befürchtung und sagt, Polizeibeamte würden meistens für ihre Kollegen und Kolleginnen aussagen. Außerdem würden etwa 95 Prozent solcher Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Erfahrungen, die der Jurist Thomas Feltes bestätigt.

Polizeiexperte: Fehlverhalten wird von Kollegen gedeckt

Feltes gilt national wie international als ausgewiesener Kenner der Polizei und ihrer Strukturen und hat zahlreiche wissenschaftliche Studien und Analysen zu Missständen innerhalb der Polizei veröffentlicht: "Wir haben einen gewissen Korpsgeist innerhalb der Polizei. Man ist aufeinander angewiesen, das ist Tatsache. Und das führt dann dazu, dass man auch Fehlverhalten von Kollegen deckt, wegsieht und auch nicht interveniert."

Gerade das Intervenieren wäre aber notwendig, so Feltes: "Wenn dann nämlich die Situation vorbei ist, am Tag darauf, können diese Polizeibeamte und Beamtinnen nichts mehr unternehmen, weil sie sich dann möglicherweise selber strafbar machen, wegen Strafvereitelung im Amt. Sie müssten das sofort und unmittelbar anzeigen, das tun sie nicht und das führt dann dazu, dass sie keine Aussage bei Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft machen werden. Weil sie sich ansonsten selbst belasten würden."

Feltes schlägt seit Jahren immer wieder vor, Polizisten von Wache zu Wache rotieren zu lassen, damit manche Beamte auch mal aus den Brennpunkten rauskämen. Außerdem müssten auffälligen Beamten Hilfsangebote gemacht werden, nur Sanktionieren bringe bei den wenigen Fälle, die ans Licht kommen, wenig.

Polizei Recklinghausen ermittelt gegen Polizisten

Die Polizeiwache Nord in Dortmund

Die Dortmunder Polizei schreibt in ihrer Antwort auf unsere Fragen: "Die Dortmunder Polizei duldet bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kein Verhalten der beschriebenen Art. Sie legt Wert auf ein zu jeder Zeit korrektes, professionelles und angemessenes Vorgehen." Derzeit werde in zwei Ermittlungsverfahren geprüft, ob die Vorwürfe der beiden Frauen stimmen. Wie in solchen Fällen üblich, ermittelt die Polizei Recklinghausen gemeinsam mit der Dortmunder Staatsanwaltschaft. Daher könne sich die Dortmunder Behörde derzeit nicht äußern. Der betreffende Beamte werde derzeit in "einem anderen Bereich eingesetzt." Beide Frauen wurden ihrerseits von den beteiligten Polizeibeamten angezeigt.

Dortmunder Polizei: Wache Nord nicht auffällig

Über Polizeibeamte der Wache Nord gebe es nicht häufiger Beschwerden als über Polizeibeamte anderer Wachen, so die Dortmunder Polizei. Im Jahr 2021 wurden beim Polizeipräsidium Dortmund insgesamt 278 Beschwerden erfasst und davon richteten sich 17 gegen Polizeibeamte der Wache Nord. „Von den 17 Beschwerden, die sich in 2021 gegen die Wache Nord richteten, haben sich alle als unbegründet herausgestellt.“ In diesem Jahr gebe es bisher 108 Beschwerden, 10 gegen Polizeibeamte der Wache Nord. Davon seien bislang zwei im Ergebnis unbegründet und eine teilweise begründet, schreibt die Behörde. Anna Neumann und Sabine Schönfeld haben sich trotzdem für Strafanzeigen gegen mehrere Beamte der Wache entschieden.