Nachgestellte Ku-Klux-Klan-Hinrichtung im Hagener Ordnungsamt

Stand: 15.07.2022, 10:00 Uhr

Schon wieder sorgt ein rassistisches Bild aus dem Hagener Ordnungsamt für Entsetzen. Es zeigt eine Art Hinrichtungs-Szene des rechtsextremen Ku-Klux-Klan. Nachgestellt mit Schoko-Nikoläusen.

Von Christof Voigt

Bereits Mitte Dezember hatte die Lokalzeit aus Dortmund über einen Passierschein mit Nazi-Symbolen und Hitler-Unterschrift im Hagener Ordnungsamt berichtet. Seitdem ermittelt die Hagener Staatsanwaltschaft.

Geschmacklos aber nicht strafbar?

Im Zuge dieser Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft auch das Foto mit der nachgestellten Hinrichtungs-Szene auf dem Handy eines Mitarbeiters des Ordnungsamtes gefunden. Darauf zu sehen sind zwei Schoko-Nikoläuse mit typischen Ku-Klux-Klan-Mützen, sie stehen neben einem weißen Kreuz, davor liegt ein geköpfter Nikolaus. Dieses rassistische Gewalt-Szenario stand auf dem Schreibtisch des Mitarbeiters, der auch seit Dezember im Fokus der Ermittlungen um einen selbst gebastelten Passierschein mit Hakenkreuz steht.

Das Gebäude der Staatsanwaltschaft Hagen.

Er und ein weiterer Kollege des Ordnungsamtes sind seit der Veröffentlichung unserer Recherchen im Dezember vom Dienst suspendiert. Auch das jetzt öffentlich gewordene Foto sei Gegenstand der Ermittlungen gegen die beiden Ordnungsamtsmitarbeiter, so ein Sprecher der Hagener Staatsanwaltschaft. Das Bild sei zwar völlig geschmacklos, aber für sich genommen wohl nicht strafbar, so der Sprecher weiter.

Ermittlungen stehen kurz vor dem Abschluss

Ermittelt werde aber weiterhin wegen der Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen und Beleidigung. Diese Ermittlungen sollen in etwa einem Monat abgeschlossen sein, dann will die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie Anklage gegen die Ordnungsamtsmitarbeiter erhebt oder nicht.     

Mitarbeiter soll mehrere Bürger gezielt schikaniert haben

Außerdem hatten mehrere Bürger uns berichtet, dass der eine der beiden Ordnungsamtsmitarbeiter sie wiederholt aufgesucht und regelrecht schikaniert hat. Dabei soll er sie auch rassistisch diskriminiert haben. So erzählte uns etwa der Inhaber einer Autowerkstatt, Filippo Morena, dass der Mitarbeiter ihn und seinen Sohn "Scheiß-Ausländer" genannt habe.

Insgesamt hatten wir bis zum Dezember 2021 mit sieben Hagenern gesprochen, die alle ähnliche Erfahrungen mit demselben Ordnungshüter gemacht haben wollen, nur einer von ihnen hat keinen Migrationshintergrund. Jetzt fragen wir noch einmal bei Filippo Morena und Narek Aro nach, wie sie die vergangenen sieben Monate erlebt haben, also die Zeit seitdem der Mitarbeiter suspendiert ist. Beide sind erleichtert, sagen sie. Seitdem hätten sie nicht ein einziges Mal Probleme mit dem Ordnungsamt gehabt.

Bürger: Seit seiner Suspendierung haben wir Ruhe

Vorher musste Filippo Morena dutzende Knöllchen bezahlen, Autos, die er nur kurz aus seiner kleinen Kfz-Werkstatt rangieren wollte, sind abgeschleppt worden und immer sei es derselbe Ordnungsamtsmitarbeiter gewesen, der das veranlasst habe. Seitdem der Mann suspendiert sei, habe er genau null Knöllchen bekommen, sagt Filippo Morena und lacht erleichtert. Jetzt mache er seinen Job wieder gerne und sei nicht mehr so nervös.

Und auch Narek Aro sagt, es gehe ihm jetzt seelisch besser, das sei schon wie Psychoterror gewesen und auf mehrere Beschwerden habe die Stadt "an seiner Beschwerde vorbei" geantwortet, nie habe es Konsequenzen gegeben. Der 30-jährige Hagener verkauft in einem Laden in der Innenstadt Shishas, Zubehör und Tabak. Immer wieder habe der Ordnungshüter vor seinem Laden gestanden, versucht ihm und seinen Kunden Probleme zu machen.

Auch Narek Aro vermutet ein rassistisches Motiv hinter dem Verhalten des Ordnungsamtsmitarbeiters: "Nicht nur aufgrund meines Falles, sondern weil ich sehr, sehr viele Leute kenne, die auch Probleme mit ihm hatten und vermutlich immer noch haben, wenn er wieder zurück in den Dienst kommt." Es gebe aber auch viele vernünftige Mitarbeiter beim Ordnungsamt, betont der junge Geschäftsmann. Mit denen habe er noch nie ein Problem gehabt.

Wie sieht die angekündigte Aufarbeitung der Stadt aus?

Und was sagt die Stadt Hagen dazu? In einem Schreiben vom 14. Dezember 2021 hatte die Stadt angekündigt, die Vorgänge aufzuarbeiten, um "gegenüber der Öffentlichkeit klarzustellen und zu untermauern, dass alle Kolleginnen und Kollegen unseres Ordnungsamtes, (…) ausnahmslos (…) auf der Basis unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung handeln." Erste Schritte seien "bereits umgehend nach Bekanntwerden in die Wege geleitet worden."

Und wie sehen diese Schritte aus? Sieben Monate nach Bekanntwerden der Vorfälle erhalten wir dazu keine Auskunft von der Stadt. Wir wollen wissen, wie sich Stadt und Oberbürgermeister das wiederholte Auftauchen von Symbolen verfassungsfeindlicher und rassistischer Organisationen im Ordnungsamt erklären? Prüft die Stadt, ob es im Ordnungsamt möglicherweise ein strukturelles Problem mit Rassismus gibt oder eine Nähe zu verfassungsfeindlichen und rassistischen Organisationen?

Stadt Hagen will noch keine Bewertung abgeben

Die Stadt schreibt, dass sie dazu keine "weitergehenden Aussagen" treffen könne. Die "noch laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und deren Ergebnisse" seien abzuwarten, eine Bewertung könne erst "nach Kenntnis dieser Ergebnisse erfolgen."

Auch das jetzt aufgetauchte Foto mit der nachgestellten Hinrichtungsszene könne die Stadt nicht konkret bewerten, da sie es "nur aus der Berichterstattung in den Medien" kenne. Die Stadt habe jetzt Anzeige gegen Unbekannt gestellt und prüfe, ob sie ein dienst- beziehungsweise ein arbeitsrechtliches Verfahren einleitet.

Kein Wort zu den Vorwürfen Hagener Bürger gegen den Mitarbeiter. Sind die überhaupt Teil der behördeninternen Aufarbeitung? Hat sich die Stadt zum Beispiel mit den betroffenen Bürgern, über die wir im Dezember berichtet haben, in Verbindung gesetzt? Kein Kommentar. Nach unseren Recherchen hat sie das nicht.