Die Nominierte Marion Lacour liest Kindern vor

Lehrerin aus Mülheim macht ihre Schüler zu Autoren

Stand: 28.10.2022, 08:00 Uhr

An der Karl-Ziegler-Schule in Mülheim begeistern sich immer mehr Schüler für das Schreiben und Vorlesen von Geschichten. Ihre Lehrerin Marion Lacour fördert sie mit Projekten.

Von Solveig Bader

Gymnasiallehrerin Marion Lacour sitzt in der Bibliothek der Karl-Ziegler-Schule und liest ihre selbst geschriebene Geschichte vor: Das Märchen von Chronos, dem Gott der Zeit. Ihr Publikum ist die Klasse 7c. Mimik, Gestik, Betonung ziehen die Schülerinnen und Schüler in ihren Bann. Es wird mucksmäuschenstill im Raum, alle lauschen ihrer Stimme, die eine fesselnde Kraft hat.

"Ich bin begeistert", sagt der zwölfjährige Elias. "Wenn ich lese oder mir jemand etwas vorliest, das entspannt mich". Die Pädagogin unterrichtet eigentlich Französisch und Spanisch, hat aber zusätzlich eine Ausbildung als Vorleserin und Märchenerzählerin. Regelmäßig führt sie Lesungen an ihrer Schule durch.

Eigene Kreativität gefragt

Die Lehrerin animiert die Schüler auch, eigene Geschichten und Gedichte zu schreiben und sie anderen laut vorzulesen. Das fiel vielen erst sehr schwer, doch mittlerweile trauen sie sich, ihren Gedanken und Fantasien freien Lauf zu lassen. Denn Noten gibt es nicht, jeder soll völlig frei und intuitiv erzählen dürfen. Das funktioniert.

Lea und Alina haben ein Gedicht zum Herbst geschrieben und lesen es den anderen in der Klasse selbstbewusst vor. "Der Herbst beginnt, jetzt regt sich der Wind. Die Blätter werden bunter und fallen dann auch runter. Das Eichhörnchen sammelt Nüsse, sie schmecken ihm wie Schokoküsse."

Viele Schüler haben Probleme, sinnentnehmend zu lesen

"Häufig überfliegen Schüler nur die Texte. Sie dringen nicht in die Tiefe durch und geben schnell auf", sagt Marion Lacour. Ihre Mutter und Großmutter seien leidenschaftliche Vorleserinnen gewesen. Sie und ihr Bruder hätten jeden Tag Grimms Märchen vorgelesen bekommen.

Heute nehmen sich viele Eltern nicht die Zeit, mit ihren Kindern gemeinsam zu lesen. Fünf bis zehn Minuten am Tag würden schon reichen, um den Wortschatz zu erweitern und Bilder im Kopf zu erzeugen, die so wichtig für das Vorlesen seien. Mit ihren Lesungen, Schreib- und Theaterworkshops hat Lacour schon einiges bewegt.

Vom Lesemuffel zur Leseratte

Einige Siebtklässler haben früher einen großen Bogen um ein Bücherregal gemacht. Durch das Leseprojekt entwickeln sie langsam Interesse an Literatur. "Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht so gerne lese", gibt Joschua zu. Aber durch die Workshops an seiner Schule komme er immer mehr zum Lesen, obwohl er in den letzten Monaten eher mit dem Handy oder PC beschäftigt gewesen sei.

"Ich lese gerne Fantasiebücher", sagt die zwölfjährige Alina und Johannes interessiert sich eher für Sachliteratur. Die Begeisterung für Bücher haben sie auch ihrer Lehrerin zu verdanken. Marion Lacour ist für den Deutschen Lesepreis nominiert, der im März 2023 von der Stiftung Lesen verliehen wird.

Über dieses Thema berichten wir am 28. Oktober 2022 in der WDR-Lokalzeit Ruhr um 19.30 Uhr.