Hofläden in NRW: "Zu viel Arbeit für zu wenig Geld"

04:08 Min. Verfügbar bis 16.05.2024

Hofläden in NRW: "Zu viel Arbeit für zu wenig Geld"

Stand: 16.05.2023, 14:11 Uhr

Regionale Lebensmittel waren in den letzten Jahren gefragt - trotz höherer Preise. Das scheint sich zu ändern, viele Hofläden klagen über sinkende Nachfrage. Zwei Beispiele aus der Region.

Vor zehn Jahren hat sich Richard Balster-Spinne mit seiner Familie einen Traum erfüllt. 1.500 Hühner leben in zwei Hühnermobilen direkt an seinem Hof in Selm, am Rande der Münsterländer Parklandschaft, circa 25 Kilometer nördlich von Dortmund . Sie werden regelmäßig umgesetzt, damit die Hühner immer frisches Gras haben und den ganzen Tag draußen scharren und picken können, nachdem sie im Hühnerstall ihr Ei gelegt haben.

Im Gegensatz zu feststehenden Ställen ist die Haltung in mobilen Freilandställen tierfreundlicher. Doch sie ist auch wesentlich aufwändiger. Und das spürt Balster-Spinne momentan ganz besonders.

Aufwand und wenig Ertrag

Denn während die Kunden in der Corona-Zeit mit Begeisterung Geld für die Freiland-Eier ausgegeben haben, bleiben sie aktuell aus. Das geht an die Kraft, sagt er.

"Ich bin mit Leidenschaft dabei. Aber aktuell sind wir an einem Punkt, wo die Arbeit einfach überwiegt." Richard Balster-Spinne, Bio-Landwirt

Sein täglich Brot ist Handarbeit: Er muss die Eier von Hand auf die Lagen packen und die dann ebenfalls von Hand transportieren. In großen Anlagen werden die Eier über Förderbänder automatisiert gepackt und auch schon vorsortiert.

"Ich bin mit Leidenschaft dabei", sagt er. "Aber aktuell sind wir an einem Punkt, wo die Arbeit einfach überwiegt. Und wenn wir zu viel arbeiten müssen für zu wenig Geld, dann muss man sich überlegen, ob man das Standbein so in der Form weiterführen möchte."

Die Lösung: mehrere Standbeine

Bio-Landwirt Günther Maas mit Kind auf der Weide bei einer Milchkuh

Bio-Landwirt Günther Maas auf der Weide

40 Cent kostet bei Balster-Spinne ein mittelgroßes Ei. Das Bio-Ei von Bauer Günter Maas auf dem Mittelhamshof in Essen-Werden kostet sogar 46 Cent. Auch bei ihm ist der Umsatz eingebrochen. Doch hier setzt man auf viele Standbeine.

Zum Beispiel auf Milchkühe. Sie sind es, die die Verluste ein bisschen niedriger ausfallen lassen. Denn die unbehandelte Rohmilch vom Hof ist gefragt. Vor allem bei Menschen, die sie zuhause weiterverarbeiten.

Ein paar Schweine, einige Rinder und neuerdings Lämmer, deren Fleisch vermarktet wird, leben auch auf dem Hof. Günter Maas macht mit seinem Enkel Clemens noch alles in Handarbeit und setzt auf Vielfältigkeit.

Weil sich gerade in letzter Zeit und durch Corona gezeigt hat, dass es keine Sicherheit gibt in einzelnen Betriebszweigen. "Wer da sehr viel Geld investiert und sich festgelegt hat, hat oft Nachteile heute", so Maas.

Gemüse zum Selbsternten

Gemüse-Parzellen zum Selbst-Ernten

Gemüse-Parzellen zum Selbsternten

Er war vor über 20 Jahren deutschlandweit der Erste, der die Gemüseselbsternte ins Leben gerufen hat. Auf kleinen vermieteten Parzellen sät er Biogemüse, das die Kunden dann selbst ernten können. Zu Coronazeiten war das ein Renner, die Essener mussten sich auf eine Warteliste setzen lassen. Jetzt ist der Markt um ein Viertel eingebrochen.

"Es wird als Luxus eingeschätzt, und Luxus ist teuer. Das wollen sich viele Leute nicht mehr leisten heutzutage." Günter Maas, Landwirt aus Essen-Werden

Die Prioritäten der Leute lägen heute woanders, sagt er. "Es wird als Luxus eingeschätzt, und Luxus ist teuer. Das wollen sich viele Leute nicht mehr leisten heutzutage, sondern lieber in Urlaub fahren oder für Energiekosten das Geld sparen. An der Nahrung, an den Lebensmitteln halten sie dann das Geld zurück."

Bio-Lebensmittel: Umsatzrückgang im Fachhandel

Inwieweit diese beiden Beispiele repräsentativ sind, ist schwer einzuschätzen. "Ungünstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen (Kostensteigerungen bei Logistik, Energie und Personal) setzen die überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen des Bio-Fachhandels zusätzlich unter Druck", heißt es in einer Mitteilung des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN). Allerdings erhebt dieser keine gesonderten Zahlen für Hofläden, sondern beobachtet den Bio-Fachhandel in der Gesamtheit. Dort zeigen die aktuellen Daten: Der Umsatz ist derzeit rückläufig und lag 2022 bei 3,83 Milliarden Euro. Allerdings seien die beiden Jahre zuvor pandemiebedingt auch außergewöhnlich umsatzstark gewesen. Verglichen mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 hat man das Niveau gehalten.

Preisspirale im Biomarkt nicht so stark wie im Supermarkt

Bio-Lebensmittel sind inzwischen auch in den Supermärkten und Discountern fester Bestandteil des Sortiments. Dass man dort als Verbraucher prinzipiell bessere Preise bekommt, stimmt laut der Agrarmarkt Informations-Gesellsschaft AMI jedoch nicht. In einer Studie für den Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zur Preisentwicklung bei verschiedenen Grundnahrungsmitteln kam heraus: Während die Preise für Bio-Möhren von Herbst 2021 bis Herbst 2022 bei Discountern um 45 Prozent gestiegen sind, waren es im Bio-Fachhandel nur zwei Prozent. Auch bei Eiern, Milch und Butter zogen die Preise im Fachhandel weniger stark an als beim Discounter.

Aufgeben? Kommt nicht infrage

Doch Richard Balster-Spinne nutzen diese Zahlen erst einmal wenig. Er muss seine nicht verkauften Eier jetzt regelmäßig an den Großhandel weitergeben. Und zwar nur für die Hälfte des Preises. Das reicht nicht mal, um die Futterkosten zu decken, sagt er. Ein Grund, warum die Familie jetzt vermehrt Bauernhofattraktionen anbietet. Aufgeben? Noch kommt das nicht infrage.