Recycling-Roboter „Daisy“: Smartphone in 20 Sekunden zerlegt

Stand: 06.05.2022, 07:40 Uhr

Wer Klimaschutz will, muss auch an das Thema Recycling von Smartphones ran. Hersteller Apple will bis 2030 komplett klimaneutral sein. Der Recycling-Roboter „Daisy“ kann alte iPhones innerhalb von 20 Sekunden komplett zerlegen. Digitalexperte Jörg Schieb hat sich den Roboter angeschaut und erklärt, wie sich damit das Recycling verbessern lässt.

Von Jörg Schieb

Auf einem gut abgeschirmten Firmengelände im niederländischen Breda steht in einer entlegenen Arbeitshalle die Roboteranlage „Daisy“: Mehrere Greifarme, die in ruckartigen Bewegungen immer wieder dieselben Aufgaben erledigen. Daisy zerlegt blitzschnell ein altes iPhone in alle Einzelteile. Eine Art "Anti-Montage", die präzise, schnell und effizient erfolgt – und das Recycling verbessert.

Nur zwei „Daisys“ gibt es auf der Welt: Ein Modell steht in Austin, Texas, USA – das andere in Breda in den Niederlanden.

Daisy kennt 20 verschiedene Modelle

Alte, von Kunden eingesandte oder zurückgegebene iPhone-Modelle werden vorab mit einem Barcode gekennzeichnet. Damit Daisy "weiß“, um welches Modell es sich handelt. Daisy kann 20 Modelle zerlegen – und kennt alle dazu nötigen Handgriffe. Das kann man wirklich so sagen, denn auch die Roboterarme von Daisy haben Greifarme. Zuerst wird das Altgerät geöffnet, dann das Display entfernt. Es folgen die Schrauben.

In einem zweiten Schritt wird das alte Handy quasi schockgefrostet – damit der Kleber bricht. Bei diesem Arbeitsschritt klopft Daisy den eigentlich verklebten Akku heraus, damit der keinen Schaden nimmt. Im dritten Arbeitsschritt schließlich demontiert Daisy alle Klein- und Einzelteile, etwa die "Taptic Unit", die für das Vibrieren zuständig ist und wertvolle Magneten enthält. Aber auch Kameralinse, Lautsprecher, Platine, Speicher und was sich sonst so alles in einem Smartphone befindet, werden fein säuberlich herausmontiert.

Rund 1,2 Million Geräte pro Jahr

Die Anlage sammelt alle Bauteile und trennt die Werkstoffe. Einige davon, etwa die „Taptic Unit“, werden später von einem zweiten Roboter bearbeitet („Dave“), der die Magneten aus den kleinen Modulen löst. „Taz“ übernimmt andere Aufgaben, und gewinnt aus dem Recycling-Material seltene Erden zurück.

Nur etwa 20 Sekunden dauert das pro Gerät. Daisy kann 200 Altgeräte pro Stunde zerlegen. 1,2 Millionen Geräte im Jahr. Der Aufwand lohnt sich, denn die auf diese Weise sorgfältig getrennten Werkstoffe lassen sich mühelos wiederverwenden: in neuen Geräten. Und das macht Apple auch: Im neuen iPhone zum Beispiel kommen Magneten, Gold, Löt-Zinn und Plastik bereits nahezu zu 100% aus recyceltem Material.

Klimaneutralität: Enormer Spareffekt

"Wir wollen bis 2030 vollkommen klimaneutral sein und einen vollständigen Werkstoffkreislauf erreichen", erklärt Sarah Chandler. Sie ist im Apple-Konzern für Nachhaltigkeit zuständig – und will mit Daisy zeigen, dass vollständiges Recycling möglich ist. Schon bald sollen auch iPads, Notebooks, iMacs oder Watches vollständig recycelt werden – anderenfalls lassen sich die ambitionierten Klimaziele nicht erreichen.

Wie sinnvoll ein lückenloses Recycling ist, beweisen die nackten Zahlen: Eine Tonne von Daisy recyceltes Material ersetzen 2.000 Erze aus einem Bergwerk. Der Einspareffekt ist riesig, insbesondere in punkto Energie, Wasser und CO2-Ausstoß.

Apple bietet sein Know-how und seine Technologie kostenlos an: Wollen anderen Hersteller oder Werkstoffverwerter ähnliche Anlagen bauen, erhalten sie von Apple lizenzfrei die Technologie. "Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele aus der Industrie mitmachen", erklärt Sarah Chandler.

Ein Problem verrät Sarah Chandler allerdings noch: Die Menschen geben ihre Geräte noch viel zu selten zurück. Studien schätzen, dass allein in Deutschland 200 Millionen Altgeräte in den Schubladen liegen - wertvolle Ressourcen. Deshalb hat Apple ein „Trade-In“-Programm: Wer sein Altgerät zurück gibt, erhält dafür Geld. Wie viel das ist, hängt vom jeweiligen Gerät ab.

Über den Autor

Jörg Schieb, WDR-Digitalexperte.

WDR-Digitalexperte Jörg Schieb

Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.

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