Urteil im Missbrauchskomplex Wuppertal: Lange Haft und Psychiatrie

Stand: 11.07.2022, 14:23 Uhr

Zum Teil schwerste sexualisierte Gewalt gegen Kinder wird einem 22-jährigen Studenten aus Wuppertal und einem 45 Jahre alten Mann aus Wetter vorgeworfen. Jetzt verurteilte das Wuppertaler Landgericht beide zu harten Strafen.

Von Wolfram Lumpe

Bei dem Studenten, einem gebürtigen Mindener, folgten die Richter wie erwartet dem Antrag der Staatsanwaltschaft: Er wird in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Verurteilt wurde er wegen sexuellen Missbrauchs in elf Fällen und der Herstellung kinderpornographischen Materials. Volle Schuldfähigkeit sah das Gericht bei seinem Mitangeklagten: Es verurteilte den Mann aus Wetter wegen schweren sexuellen Missbrauchs in sechs Fällen und ebenfalls der Herstellung von kinderpornografischem Material. Er muss sechs Jahre in Haft.

Angeklagte gestehen

Beide Angeklagte haben ihre Taten gestanden. Der Student soll schon während der Ermittlungen weitgehende Aussagen gemacht haben. Diese führten nicht nur zum Mitangeklagten, sondern auch zu bundesweit weiteren 100 Männern, denen zumindest der Austausch kinderpornografischen Materials vorgeworfen wird. Die Ermittlungen laufen. 

Gemeinsamkeit nur bei den Taten

Äußerlich zumindest sind beide Angeklagte grundverschieden. Der Student wirkt äußerst gepflegt, mit Seitenscheitel und einem stets bis oben zugeknöpftem Hemd. Der Mann aus Wetter wirkt grobschlächtig, ist deutlich größer, hat auffallend große Hände. Er trägt während der Verhandlung und auch zum Urteil immer denselben Kapuzenpullover. Details zu den Geständnissen der beiden, bleiben hinter verschlossenen Türen: Hauptsächlich zum Schutz der Opfer im Alter zwischen fünf Monaten und zwölf Jahren fanden weite Teile des Prozesses unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Über welche Chat-Portale sich beide Männer kennenlernten, bleibt so auch unbekannt. 

Opfer in der Familie 

Der 22-Jährige wurde in seinem Wuppertaler Studentenzimmer festgenommen. Er war im freien Wlan unterwegs, als die Handschellen klickten. Identifiziert hatte man ihn auf einem Portal, das eigentlich zum Austausch für Kinder und Jugendliche gedacht ist. Das Portal fiel nicht zum ersten Mal als offensichtliches "Jagdgebiet" pädophiler Täter auf. Der Mindener soll sich vor allem an Kindern in seiner direkten familiären Umgebung vergangen haben. Im Prozess wurden mehrere Opfer von vier Nebenklage-Anwälten vertreten. 

Möglichst junge Opfer 

Der 45-Jährige hat den schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes zugegeben sowie den Besitz großer Mengen an Kinderpornografie. Aber, so sein Verteidiger im Prozess: Für pädophil halte sich sein Mandant nicht. Wie die Fotos und Videos bei ihm gelandet seien, wisse er nicht. Dagegen stehen die Aussagen der Ermittler:innen der Polizei im Prozess. Kalt und erfahren habe der Angeklagte bei seinen Vernehmungen gewirkt. Lange führte er nach den Erkenntnissen der Polizei ein echtes Doppelleben. Mit mehreren Alias-Identitäten habe er unter anderem mit seinem Mitangeklagten über Missbrauchstaten gechattet. Ihm sei es immer darum gegangen, dass die möglichen Opfer sehr jung sein sollten. Bei dem Mann gefundene Fotos und Videos würden das belegen. 

"Verwandtschaft" zu anderen Tätern

Wermelskirchen, Münster, Bergisch Gladbach: Immer geht es um mehrere Terabyte an Dateien mit Darstellung brutaler sexualisierter Gewalt an Kindern, die auch erfahrene Ermittler an ihre Grenzen führt. Ebenso bei beiden hier angeklagten Tätern. Die enorme Menge an Fotos und Videos komme über den Austausch mit "Gleichgesinnten" zustande, sagt Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert. "Das heißt: Jeder gibt mal was dem anderen, so wird daraus dann ein fast börsenhafter Verkehr. Hier gehen wir davon aus, dass rund 100 Leute von den beiden Männern solche Datenträger, Datensätze bekommen haben". Oft wird auch die Frage nach möglichen Querverbindungen zu den Beschuldigten und Tätern der anderen großen Missbrauchskomplexe gestellt. Ausgeschlossen seien die nicht, heißt es, belegt aber auch nicht.