Polizeiseelsorger Dürscheid geht in den Ruhestand Lokalzeit aus Köln 12.01.2024 01:44 Min. Verfügbar bis 12.01.2026 WDR

Loveparade, Ahrtal, Missbrauchskomplex – Kölner Polizeiseelsorger geht in Ruhestand

Stand: 12.01.2024, 08:19 Uhr

Er war da, wenn andere nicht mehr konnten. 21 Jahre liegen hinter Polizeiseelsorger Rainer Dürscheid, in denen er jederzeit damit rechnen musste, dass das Telefon klingelt und seine Hilfe gebraucht wird.

Von Markus Schmitz

Hilfe, die nach Einsätzen, Unfällen, Katastrophen benötigt wurde, um Polizistinnen und Polizisten zur Seite zu stehen.

"Du bist nicht einer von uns, sondern einer für uns". So hatte mal ein Polizist die Stellung von Rainer Dürscheid innerhalb der Kölner Polizei beschrieben.

Eine treffende Formulierung, sagt der Mann, der vor seiner Arbeit als Polizeiseelsorger als Pastoralreferent tätig war. Seine 21 Jahre zu rekapitulieren, ist nicht so einfach, sagt er. Schließlich sei sehr viel passiert.

Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach – „Was belastet Euch am meisten?“

Rainer Dürscheid hat Ermittlerinnen und Ermittler auch bei großen Missbrauchskomplexen betreut. Dabei war er nicht alleine, betont er, so etwas könne nur in einem Team funktionieren.

Die Kölner Polizei hatte sich zur Aufgabe gemacht, sichergestelltes Material mit Videos und Fotos von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und auch Babys zu sichten und wenn möglich, die Täter, die dahinter stehen, dingfest zu machen. Das war der Antrieb der Frauen und Männer.

Vor allem die Schreie der missbrauchten Kinder sind belastend

Er erinnert sich, dass die Beamtinnen und Beamten sagten, dass vor allem die Schreie der Kinder schwer belastet haben. In solchen Situationen hat Dürscheid mit seinem Team Gespräche angeboten. Einzeln oder auch in Gruppen.

Es wurde thematisiert,  wie wer mit den Belastungen umgeht, Hilfestellungen gegeben, Vorschläge gemacht. Manchmal war auch nur eine einzige Frage hilfreich oder nötig:"Was brauchst Du jetzt?"

Loveparade: „Habe mit dem Leben abgeschlossen…“

An das Wochenende im Juli 2010 hat Rainer Dürscheid gute Erinnerungen. Er war in Berlin auf einer Kurzreise, als das Telefon klingelt, und er von der Katastrophe auf der Loveparade in Duisburg erfuhr. Als er wieder zurück war, brauchten einige Polizisten seine Unterstützung.

Eine Kölner Hundertschaft war mit im Tunnel, in dem die vielen jungen Menschen gestorben sind. Sie waren ebenfalls in Todesangst, versuchten später Menschen wiederzubeleben, waren mittendrin in diesem schrecklichen Geschehen.

Ein Beamter sagte ihm später, dass er mit dem Leben in dem Moment im Tunnel abgeschlossen habe. Dass er in dieser Zeit nicht mehr wusste, ob er seine Frau und seine Kinder wiedersehen werde.  

Seine Aufgabe beschriebt Rainer Dürscheid so:

"Es geht in einem solchen Moment darum, Ruhe und Sicherheit zu verschaffen. Klar zu machen, dass das alles vorbei ist. Polizisten sind davon geprägt, immer Probleme zu lösen, aber das gelingt einfach nicht immer." Rainer Dürscheid

Der Seelsorger hat in all den Jahren auch Polizistinnen und Polizisten zur Seite gestanden, wenn es um Unfälle mit Kindern, Suizide, aber auch um Schussabgaben von Seiten der Polizei ging. Situationen, die sehr berühren, sagt er. Auch im Ahrtal nach der Hochwasserkatastrophe und in Lützerath bei dem Einsatz um den Braunkohletagebau vor einem Jahr war er dabei.

Im Kölner Polizeipräsidium wird der Landespolizeiseelsorger am Freitag (12.01.2024) mit einer Feierstunde in den Ruhestand verabschiedet. Er freut sich, dann mehr Zeit zu haben: Für seine Familie und sein Motorrad.

Unsere Quellen:

  • Interview mit Rainer Dürscheid

Kölner Polizeiseelsorger geht in Ruhestand 00:41 Min. Verfügbar bis 12.01.2026