Gericht stoppt Pläne der Landesregierung für mehr Kiesabbau

Stand: 03.05.2022, 19:45 Uhr

Kurz vor der NRW-Wahl muss die schwarz-gelbe Landesregierung eine Niederlage vor Gericht einstecken. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Ausweitung des umstrittenen Kiesabbaus gestoppt.

Von Christian Wolf und Dominik Peters

Seit Jahren sorgt der Abbau von Kies am Niederrhein für Streit. Während die schwarz-gelbe Landesregierung und deren Mehrheit im Düsseldorfer Landtag eine Ausweitung der Abbauflächen beschlossen haben, wehrte man sich vor Ort dagegen und warnte vor einem "Schweizer Käse". Wenige Tage vor der NRW-Landtagswahl hat das Oberverwaltungsgericht Münster nun eine Entscheidung getroffen - und die Kiesabbaupläne der Landesregierung gestoppt.

Das Gericht erklärte am Dienstag die 2019 im Landesentwicklungsplan (LEP) festgeschriebene Verlängerung der Versorgungszeiträume mit Kies von 20 auf 25 Jahre für unwirksam. Mehrere Kreise und Kommunen vom Niederrhein hatten argumentiert, dass ein längerer Planungszeitraum wesentlich mehr Abbaustellen und Flächenverbrauch mit sich brächten. Dies sei mit den Belangen des Umweltschutzes und der Landwirtschaft nicht ausreichend abgestimmt worden. Das Gericht gab den Klägern Recht.

Bedarf an Kies nicht berücksichtigt

Die NRW-Landesregierung hatte 2019 beschlossen, dass der Kiesabbau für 25 Jahre gesichert werden soll - und damit fünf Jahre länger als bislang vorgesehen. Im Zuge dessen wurden auch neue Abbaugebiete in der Region ausgewiesen. Die Kreise Wesel und Viersen, sowie die Kommunen Alpen, Kamp-Lintfort, Rheinberg und Neukirchen-Vluyn klagten dagegen. Sie argumentierten auch, die tatsächlichen Kiesbedarfe seien nicht berücksichtigt worden, der Plan basiere lediglich auf der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP.

Dieser Argumentation folgte das Gericht. Es fehle an Ermittlungen, ob die vorgesehene Verlängerung für die Rohstoffversorgung der Bevölkerung notwendig sei und welcher Flächenbedarf dafür anfalle, sagte der Vorsitzende Richter.

Sorge um Flächen, die weichen müssten

Die Ausweitung hätte allein im Bereich des Regionalverbandes Ruhr eine Erweiterung der möglichen Kiesabbauflächen von 1.200 auf 1.500 Hektar gebracht. Stark betroffen wäre beispielsweise Neukirchen-Vluyn, wo ein 8.000-Quadratmeter-Bauernhof ganz in einem Baggersee versunken wäre. In Kamp-Lintfort wären laut der Stadt rund zehn Prozent des Stadtgebietes betroffen gewesen.

Gegner des Kiesabbaus befürchten, dass weitere Auskiesungsgebiete der Natur und dem Grundwasser schaden - Ackerflächen und Wiesen müssten dem Kiesabbau weichen. Mit Demos und Mahnwachen haben Bürger aus der Region in den vergangenen Monaten immer wieder auf ihre Sorgen aufmerksam gemacht.

"Ich bin glücklich, dass das Thema jetzt neu angefasst werden muss. Das ist ein guter Tag für die Menschen am Niederrhein", sagte der Landrat des Kreises Wesel, Ingo Brohl (CDU), nach der Gerichtsentscheidung.

Kiesindustrie argumentiert mit steigender Nachfrage

Die Industrie verweist auf den dringenden Bedarf an Baustoffen für neue Wohnungen, die Reparatur maroder Brücken oder etwa den Neubau von Windkrafträdern. Wer bezahlbaren Wohnraum schaffen wolle, dürfe den heimischen Kiesabbau nicht blockieren. Eine heimische Erzeugung sei umweltfreundlicher und preiswerter als Importe.

Dieser Haltung hatte bislang auch die schwarz-gelbe Landesregierung. So sah Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) keine Alternative zur Ausweitung des Kiesabbaus. "So lange unsere Wirtschaft und unsere Bevölkerung auf eine Versorgung mit Kieseln und Sand angewiesen ist, ist dies leider unvermeidbar."

"Schallende Ohrfeige" und "Scherbenhaufen" für Landesregierung

Die Opposition war stets gegen die Pläne der Landesregierung und sieht sich mit der Gerichtsentscheidung bestätigt. Der Sprecher für Natur- und Umweltschutz der Grünen, Norwich Rüße, sprach am Dienstag von einer "schallenden Ohrfeige" für die Planungspolitik von Schwarz-Gelb. Das Ziel, die Interessen der Industrie und den Schutz der Landschaften in Einklang zu bringen, sei "völlig aus den Augen verloren" worden.

Einen "Scherbenhaufen" für die Landesregierung wollte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, René Schneider, erkennen. "Fünf Jahre schwarz-gelber Rohstoffpolitik sind damit gescheitert." Um die Abhängigkeit von Rohstoffen wie Kies und Sand zu verringern, müsse das Recycling von Baustoffen gestärkt werden.

Über dieses Thema berichten wir am 03.05.2022 auch in der Lokalzeit Duisburg - im Radio und im Fernsehen.