Neu im Dorf: Wie der Zuzug eine Gemeinde verändert

Lokalzeit aus Bonn 12.09.2023 25:16 Min. Verfügbar bis 12.09.2025 WDR Von Sebastian Tittelbach

Neu im Dorf - Was Großstädter aufs Land zieht und was sie dort erwartet

Stand: 13.09.2023, 06:00 Uhr

Noch vor zehn Jahren wurde der Tod der Dörfer ausgerufen. Wer konnte, zog in die Stadt. Doch inzwischen rollt der Umzugswagen wieder in die andere Richtung.

Von Sebastian Tittelbach

Für Sophia Steinberger war der Umzug wie ein Sprung ins kalte Wasser, Weilerswist kannte sie nur von der Durchfahrt mit dem Auto, aber nicht als Wohnort: "Wir haben drei Jahre in Köln gewohnt als wir noch studiert haben, dafür war Köln perfekt."

Sophie Steinberger steht lächelnd in ihrem Hauseingang

Fühlt sich im Dorf mittlerweile zuhause: Sophie Steinberg

Doch dort wäre ein eigenes Haus mit Garten für das Ehepaar nicht bezahlbar gewesen. Seit sieben Jahren wohnen sie nun im Neubaugebiet Weilerswist Süd im Kreis Euskirchen, in einem gelb-rot gestrichenen Haus mit ihren beiden Kindern: "Wir laufen fünf Minuten zum Zug nach Köln, wir haben hier die Ruhe und für unsere Kinder ist es schöner."    

Studie bestätigt "neue Landlust"

In das Neubaugebiet sind viele ehemalige Städter gezogen und bestätigen damit einen Trend, den das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ausmacht. Direktorin Catherina Hinz spricht von der "neuen Landlust".

Die günstigen Grundstückspreise, der Wunsch, dass die Kinder sicher aufwachsen, und auch die neuen Arbeitsmöglichkeiten im Homeoffice seien Treiber dieser Entwicklung: "Uns hat überrascht, dass das nicht nur die Speckgürtel um die Großstädte betrifft, sondern eben auch entlegenere Gemeinden in der Peripherie."

Erfolgsfaktoren: Bahnanschluss, Kitaplatz, Glasfaser

Anna-Katharina Horst

Anna-Katharina Horst

In Weilerswist ist die Einwohnerzahl ab 2011 sehr schnell um mehr als 12 Prozent angestiegen. Für Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst (parteilos) sorgen die neuen Familien für mehr Vielfalt in der Gemeinde, aber auch für mehr Arbeit: "Die Tendenz geht zum dritten Kind, das bedeutet, dass wir als Gemeinde Kitaplätze schaffen müssen, die Grundschulen erweitern und als nächstes ist die Gesamtschule dran."

Für ehemalige Städter ist der Umzug aufs Land oft eine Umgewöhnung. Melanie Böhmer lebt zwar schon seit 15 Jahren in Weilerswist, aber ihre Tochter sollte in Köln zur Welt kommen, so wie sie selbst: "Super wäre, wenn man in der Woche mitten im Leben in einer Jugendstilwohnung mit Stuckdecke wohnt, und am Wochenende hier raus aufs Land kommt."

Gefahr von Neubau-Ghettos

Die Autoren der Studie warnen davor, dass die neuen Landbewohner in den Neubaugebieten unter sich bleiben und kein Kontakt zu den Dorfbewohnern entsteht. In Weilerswist kennt man das. Zu Beginn kam Neid bei den Alteingesessenen auf, weil im Neubaugebiet moderne Spielplätze und frisch eingerichtete Kitas errichtet wurden. Geholfen hat, dass die neuen Einwohner erst einen Freundeskreis gründeten und dann den Kontakt mit anderen Vereinen in der Gemeinde suchten.  

Sophia Steinberger sieht sich nach dem Wegzug aus Köln inzwischen als Weilerswisterin, sie engagiert sich in der Flüchtlingsinitiative, durch Kita und Grundschule habe sie viele Eltern kennengelernt: "Wir fühlen uns zuhause hier."