Stadt Köln will Beratungsstelle für queere Jugendliche streichen

Stand: 07.09.2022, 14:15 Uhr

Laut Haushaltsentwurf will die Stadt Köln die Beratungsstelle des queeren Jugendzentrums Anyway am Kölner Friesenplatz nicht mehr finanzieren. Dagegen protestieren die Jugendlichen.

Von Lima Fritsche

"Das Anyway ist der Grund, warum ich heute als der Mensch lebe, der ich wirklich bin", sagt Max Löwenhaupt. Der 20-Jährige hat sich vor zwei Jahren das erste Mal als trans geoutet. Er ist einer von mehreren hundert Jugendlichen, die jährlich die Beratung des queeren Jugendzentrums in Anspruch nehmen.

Anders als die Mädchen

Fotos vom queeren Jugendzentrum anyway

Heute hat Max keine Angst mehr, sich als trans zu outen.

Schon im Kindergarten hatte Max das Gefühl, dass er anders als die Mädchen in seinem Alter war. "Ich habe noch nie gerne Kleider getragen", sagt er. Aber erst vor drei Jahren fand Max den passenden Begriff für sein Gefühl. Sich zu outen, war für den heute 20-Jährigen damals unvorstellbar. Sein Vater habe sich immer eine Tochter gewünscht. Max habe Angst gehabt, ihn zu verletzen. "Es war schmerzhaft, meine wahre Identität zu verheimlichen", sagt er.

Als die Pandemie begann, wurde es Max zu viel. Im März 2020 zog er aus. Anfangs versuchte sein Vater noch, den Kontakt zu Max aufrechtzuerhalten, aber dieser wimmelte ihn immer wieder ab. Der 20-Jährige hielt es nicht aus, seinen Vater anzulügen, aber er traute sich auch nicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Über ein Jahr hatten die beiden keinen Kontakt zueinander.

Zum ersten Mal im Anyway

Das Jugendzentrum anyway von außen

Das queere Jugendzentrum in der Nähe des Kölner Friesenplatzes.

Von einer Freundin erfährt Max im Herbst 2020 vom Anyway. "Ich stand drei Mal vor der Tür, bis ich mich getraut habe, reinzugehen", sagt er. Vor einer Praktikantin des Jugendzentrums outete er sich zum aller ersten Mal. Eine Woche später hatte er seinen ersten Termin in der Beratungsstelle.

Dort schrieb Max einen Brief an seinem Vater und erzählte ihm, dass er trans ist. Er fragte ihn auch nach einem Treffen. Im Frühjahr 2021 standen sich die beiden im anyway zum ersten Mal wieder gegenüber. "Mein Vater ist sofort aufgestanden, hat geweint und mich in den Arm genommen", erzählt Max. Nach und nach hatten sie wieder mehr Kontakt. Mittlerweile erzähle sein Vater stolz, dass er einen Sohn hat.

Kölns einzige Beratungsstelle für queere Jugendliche

Es gibt die Beratungsstelle im Anyway seit Anfang 2020. Bei schwulen, lesbischen oder trans Jugendlichen sei der Beratungsbedarf größer als bei anderen jungen Menschen - und er steige weiter an. Allein Januar bis August 2022 gab es 600 Beratungskontakte. Das sind rund 30 Prozent mehr als 2021. "Unsere Beratungsstelle ist die Einzige in Köln, die auf die Bedürfnisse queerer Jugendlicher spezialisiert ist", sagt Falk Steinborn, ein Sprecher des Anyways. Zudem sei sie für viele Jugendliche wichtig, die die Wartezeit auf einen Therapieplatz überbrücken müssen.

Fotos vom queeren Jugendzentrum anyway

Max und Falk Steinborn bereiten Plakate für die Demonstration vor.

Die E-Mail der Stadt Köln, dass die Beratungsstelle gestrichen werden soll, sei für die Mitarbeiter des Jugendzentrums überraschend gekommen. 2021 hatten CDU, Grüne und Volt in ihrem Ratsbündnis festgelegt, das Anyway stärken zu wollen. Laut Steinborn sei das auch dringend nötig. Deshalb fordern die Unterstützer des Anyways jährlich 143.000 Euro für die Beratungsstelle. Zudem wollen sie, dass die Projektförderung in eine langfristige Förderung übergeht.

Letztendlich liegt die Entscheidung bei den Mitgliedern des Kölner Stadtrats, die im November über den Haushalt abstimmen. "Ich kann nicht versprechen, dass die Stelle nicht gestrichen wird, aber ich werde alles dafür tun, dass wir sie weiter finanzieren können", sagt Florian Weber (CDU) zu den rund 500 queeren Jugendlichen auf der gestrigen Demonstration auf dem Alter Markt. Max findet: Die Stadt Köln müsse an anderer Stelle sparen, wenn sie sparen wolle. "Wenn die Stadt die Beratungsstelle streicht, riskiert sie Menschenleben."