Das neue Haus für das Gemeinschaftswohnprojekt des Vereins "Tausendsechs e.V."

Bezahlbares Wohnen - Stadt Köln fördert Erbbaurechtsverfahren

Stand: 18.11.2022, 10:13 Uhr

Die Stadt Köln forciert derzeit den Wohnungsbau im Erbbaurechtsverfahren. Sie setzt damit einen Ratsbeschluss um und verhandelt schon mit einzelnen Projektträgern.

Von Judith Levold

"Wir freuen uns, die Verhandlungen sind noch nicht ganz abgeschlossen, aber es sieht gut aus", sagt Georg Gläser vom Verein "Tausendsechs e.V."

Die Gruppe um den 27-jährigen Pädagogen hat schon ein selbstverwaltetes Gemeinschaftswohnprojekt in Köln Kalk aufgebaut - jahrelang haben hier verschiedene Menschen zusammen gelebt und Kultur veranstaltet. Dann kam die Kündigung wegen eines großen Wohnungsneubaus in diesem Gebiet.

Gemeinwohlorientiert, divers, bezahlbar

Die Gruppe fand in Köln-Dellbrück ein leerstehendes Haus, das der Stadt Köln gehört und ging in Verhandlungen, um das Gebäude im Erbbaurecht zu übernehmen. Für bezahlbares Wohnen, gemeinwohlorientiert und mit Raum für Kultur und Diversität. 

"Wir haben eine Alternative gesucht, denn die Wohnform gefällt uns, macht Sinn und ist bezahlbar - für alle." Georg Gläser
Tausendsechs e.V.

Gemeinschaftlich wohnen

Luca Beerbaum und Georg Gläser vom Verein "Tausendsechs e.V."

Luca Beerbaum (l.) und Georg Gläser vom Verein "Tausendsechs e.V."

Sie gründeten einen Verein, Namensgeber war die Hausnummer des Gebäudes auf der Bergisch Gladbacher Straße in Dellbrück, in das sie nach Sanierung und Wohnungsumbauten einziehen wollen. Wohnraum für gut zwanzig Menschen soll hier entstehen, dazu eine kleine Wohnung für Menschen, die gerade aus der Haft kommen und außerdem Platz für Kulturprojekte. Der im Erdgeschoss seit vielen Jahren ansässige Bürgertreff soll selbstverständlich bleiben können. Und die Barrierefreiheit des gesamten Gebäudes steht ganz oben auf der To-do-Liste.

Geringerer Erbbauzins bei sozialer Ausrichtung

In Köln verhandelt das städtische Liegenschaftsamt derzeit mit mehreren solcher Akteure über die Vergabe städtischer Grundstücke oder Gebäude in Erbbaurecht. Man stehe in "konstruktivem Austausch" heißt es dazu. Bei sozialer Ausrichtung ist ein jährlicher Erbbauzins von sogar nur 1,5 % des Verkehrswertes eines Grundstücks oder Gebäudes möglich. Normalerweise liegt ein Erbbauzins zwischen 3 und 5 % .

Vorteile für die Stadtentwicklung

Die vorrangige Nutzung des Erbbaurechts bei der Veräußerung städtischer Grundstücke hat der Rat im März 2022 beschlossen, so das städtische Presseamt. Der Beschluss basiert auf einer noch älteren Ratsentscheidung aus dem Jahr 2016 und ergänzt sie demnächst um einen weiteren Baustein mit "Blick auf die soziokulturelle Nutzung". Im ersten Halbjahr 2023 soll es dazu laut Stadt eine Verwaltungsvorlage für die politischen Entscheidungsgremien geben. Die Vorteile für eine sozial ausgewogene Stadtentwicklung jenseits des Baulichen liegen auf der Hand.

Steuerfunktion für erwünschte Zwecke

Die Mitglieder des Vereins Tausendsechs e.V. in einem Treppenhaus

Der Verein Tausendsechs e.V.

Die Stadt Köln bleibt Eigentümerin und bekommt einen - je nach Verwertungszweck unterschiedlich hohen - Prozentsatz des Gebäude- oder Grundstückswertes als jährliche Zahlung planbar in die Kasse gespült. Sie erhält damit kommunales Vermögen und kann steuern, was und zu welchen Zwecken mit Flächen und/oder Gebäuden passiert. So kann sie direkt bezahlbares Wohnen, Gemeinschaftswohnformen, Inklusion oder auch Klimaschutz und damit sozial gerechte Stadtentwicklung fördern. Andererseits macht das Erbbaurechtsverfahren Wohnprojekte deutlich kostengünstiger, so dass auch Menschen für sich Wohnraum realisieren können, die sich aktuelle Wohnungsmarktpreise nicht leisten könnten.

Beitrag zur Wohn-Grundversorgung

Lange war das Erbbaurecht wegen der geringen Zinsen am Kapitalmarkt in Vergessenheit geraten, doch die Stadt Köln hat das mehr als 100-jährige Verfahren als Instrument der Stadtentwicklung wiederentdeckt und will es für die Vermarktung städtischer Grundstücke zukünftig verstärkt nutzen. Denn das könne ein Beitrag zur Grundversorgung mit Wohnraum im öffentlich geförderten und preisgedämpften Segment sein, so die Stadt Köln.