Prozessauftakt: Drogenkuriere für Mafiaorganisation
Lokalzeit Bergisches Land. 03.02.2025. 03:17 Min.. Verfügbar bis 03.02.2027. WDR.
Geständnis im Prozess gegen die Koks-Kuriere der italienischen Mafia
Stand: 10.02.2025, 15:29 Uhr
Im Prozess um europaweiten Kokainhandel hat eine geständige Drogenkurierin den Hauptangeklagten schwer belastet.
Am zweiten Prozesstag vor dem Wuppertaler Landgericht sagte die 54-Jährige, dass der Hauptbeschuldigte die Schmuggelfahrten organisiert und geleitet hat. Er habe ihr außerdem gedroht, auch als sie aussteigen wollte. Sollte sie reden, wisse man, wo ihr Sohn und ihre Mutter wohnten.
Die Dortmunderin hat gestanden, zehn Fahrten mit großen Kilomengen an Kokain zwischen Deutschland, Belgien und Italien durchgeführt zu haben. Für ihre Taten ist die Frau bereits in Italien rechtskräftig zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ihre Strafe darf sie mittlerweile in Deutschland absitzen.
Verantworten müssen sich mit ihr noch sieben weitere Angeklagte. Wegen erhöhter Sicherheitsvorkehrungen findet der Prozess jedoch im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts statt.

Aus Sicherheitsgründen fand der Prozess in Düsseldorf statt
Die Angeklagten im Alter von 36 bis 64 Jahren sollen Kokain in großen Mengen geschmuggelt haben. Nach den Ermittlungen geschah dies unter anderem im Auftrag der italienischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta sowie albanischer Tätergruppierungen. Mit wechselnden Verstecken und verschiedenen speziell umgebauten Fahrzeugen sollen sie mehr als 50 Kurierfahrten mit Kokain im zweistelligen Kilogrammbereich unternommen haben, insgesamt fast 900 Kilo, also fast eine Tonne.
Anklage: Anglerteich zur Geldwäsche benutzt
Den Angeklagten werden die Bildung einer kriminellen Vereinigung und Drogenhandel oder Beihilfe dazu vorgeworfen. Als Hauptbeschuldigter gilt ein 64-Jähriger aus Hattingen. Laut Staatsanwaltschaft war er der Kopf der Koks-Kuriere. Er soll den Drogentransport quer durch Europa organisiert und die Mitangeklagten etwa als Fahrer engagiert haben. Das eingenommene Geld soll dann über den Betrieb eines Angelteichs gewaschen worden sein.

Anklage gegen acht Deutsche
Laut Staatsanwaltschaft soll der Haupttäter etwa 2,2 Millionen Euro eingenommen haben. Weitere fünf Angeklagte sollen die Kurierfahrten durchgeführt haben. Dabei sollen die Fahrer 150 Euro für jedes transportierte Kilo verdient haben. Laut Anklage bekamen die Beifahrer eine Pauschale von 500 Euro pro Tour. Bei den Fahrten sollen Drogen im zweistelligen Kilogramm transportiert worden sein. Die Mitangeklagten kommen aus Dortmund, Wuppertal, Remscheid und Castrop-Rauxel.
Vergangene Woche hat das Landgericht Dortmund drei Männer, die beschuldigt wurden, als Mitglieder der kalabrischen 'Ndrangheta in einer Siegener Eisdiele Geldwäsche betrieben zu haben, aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Im Gegensatz dazu betonte Staatsanwalt Julius Sterzel von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, dass die Beweislage im zeitgleich stattfindenden Prozess gegen die mutmaßlichen Koks-Kuriere sehr gut sei.
Operation Eureka
Die Anklage fußt auf mehrjährigen Ermittlungen und einer Großrazzia gegen den Kokainhandel im Mai 2023. Am 3. Mai 2023 um vier Uhr morgens kam es zum großen Showdown, der "Operation Eureka": In acht Ländern führten Tausende Polizistinnen und Polizisten Großeinsätze gegen die italienische Mafia 'Ndrangheta durch, auch in NRW. Unter anderem in Siegen, Hagen, Wuppertal, Essen, Dortmund und Bonn durchsuchten 500 schwer bewaffnete Einsatzkräfte parallel mehrere Objekte. 35 Verdächtige wurden damals in NRW verhaftet.
Eisdielen als Geldwaschanlagen

Polizeieinsatz bei der Razzia gegen die Mafia
Der 'Ndrangheta wurde so ein heftiger Schlag versetzt. Eisdielen sollen als Geldwaschanlagen genutzt worden sein, hatten die Ermittler damals mitgeteilt. In NRW hatten 500 Polizisten insgesamt 51 Objekte durchsucht. Europaweit waren insgesamt rund 3.000 Beamte im Einsatz, in Deutschland mehr als 1.000. Das Kokain soll aus Südamerika über Überseehäfen in den Niederlanden und Belgien nach Europa gebracht und dann mit präparierten Autos nach Italien geschmuggelt worden sein.
Die Ermittler präsentierten einen SUV, unter dessen Rückbank ein Drogenversteck eingebaut war. Das Kokain wurde mehrfach in Kunststofffolien eingeschweißt, um es für Spürhunde unauffindbar zu machen. Zudem seien die Autos vor jeder Fahrt auf Abhör- oder Ortungsgeräte der Polizei untersucht worden.
Europaweite Anti-Mafia Razzia
Beteiligt an dem Einsatz, der einer der größten Einsätze gegen die Mafia in Europa war, waren Einsatzhundertschaften, Spezialeinsatzkommandos und Diensthundeführer. Auch in Bayern, Rheinland-Pfalz, Thüringen und im Saarland gab es Durchsuchungen und Festnahmen. Die meisten Verdächtigen wurden in Italien verhaftet, nachdem die Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria 108 Haftbefehle erwirkt hatte. Auch in Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Rumänien und Slowenien wurden mutmaßliche Helfer festgenommen.
BKA: 'Ndrangheta beherrscht Europas Kokain-Markt
Die 'Ndrangheta ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) die "relevanteste Mafia-Gruppierung" mit einer dominanten Stellung auf dem europäischen Kokainmarkt. Sie wird gefährlicher eingeschätzt als die sizilianische Cosa Nostra und die Camorra aus Neapel. In der 'Ndrangheta sollen drei große Gruppen die Fäden ziehen und sich um den internationalen Drogenhandel kümmern. Eine davon hat den Fahndern zufolge auch einen Ableger in München. Sie wird dem Clan der Nirta-Strangio zugerechnet - der war 2007 in die Mafiamorde von Duisburg verwickelt, bei denen sechs Menschen erschossen wurden.
Das Gericht hat für den Prozess zunächst 23 Verhandlungstage angesetzt. Bei einem Schuldspruch müssen alle Angeklagten mit Haftstrafen zwischen vier und zwölf Jahren rechnen. Ein Urteil soll im August fallen.
Unsere Quellen:
- Recherche WDR-Reporter
- Nachrichtenagentur dpa
- Landgericht Wuppertal
- Staatsanwaltschaft Düsseldorf