Gewalt gegen Frauen: Wie Täterberatung helfen kann

Stand: 25.11.2023, 10:00 Uhr

Bei der Caritas in Mettmann gibt es Beratung und Kurse für Männer, die gewalttätig gegen Frauen geworden sind.

Von Inke Köster

Bei der Caritas in Mettmann sitzen sieben Männer in einem Stuhlkreis. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind zuhause gewalttätig geworden.

"Mir geht es heute gut.", sagt einer der Männer. "Mir geht es auch gut, ich hatte nur etwas Stress auf der Arbeit", antwortet ein anderer Teilnehmer. Zu Beginn der wöchentlichen Treffen erzählen alle kurz, wie es ihnen geht, wie die Woche gelaufen ist und ob sie etwas auf dem Herzen haben. Es ist die fünfte von insgesamt 25 Stunden. Die beiden Kursleiter Alexander Lajios und Petra Bräcklein bereiten die erste Übung vor. Einige der Männer gehen kurz vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen.

Was ist Gewalt und wo beginnt sie?

Die Männer sollen heute einordnen, was für sie Gewalt bedeutet und wo Gewalt beginnt. Dafür haben die Fachkräfte für häusliche Gewalt verschiedene Karten vorbereitet. Auf einer steht zum Beispiel: "Ein Junge haut einem Mädchen ungefragt auf den Hintern". Alle sind sich einig: Das fällt unter physische Gewalt. Auf einer anderen Karte steht: "Das Auto der Partnerin zuparken". Und hier wird schnell klar: Ob etwas Gewalt ist oder nicht, hängt auch vom Kontext ab.

Kursleiter Alexander Lajios: Gewalttätiges Verhalten ist in der Regel erlernt | Bildquelle: Inke Köster

Einer der Männer sagt: "Wenn ich keinen Parkplatz finde, dann stelle ich das Auto hinter das meiner Frau. Sie kann es ja jederzeit wegfahren, sie hat ja einen Schlüssel." Für ihn ist es deshalb keine Gewalt. Ein anderer wirft ein: "Wenn ich dadurch aber kontrollieren will, ob die Frau wegfahren kann, dann wäre das schon Gewalt – psychische Gewalt." Kursleiter Alexander Lajios stimmt beiden Männern zu.

Einmal gewalttätig - immer gewalttätig?

Übung zu "Was ist Gewalt?" | Bildquelle: Inke Köster

Der Diplomsozialarbeiter und seine Kollegin Petra Bräcklein sind überzeugt: Gewalttätiges Verhalten ist in der Regel erlernt. Mit gezieltem Training kann es verändert werden. Genau da setzen die beiden mit ihrem Täter-Beratungsseminar an. Die beiden Trainer verurteilen die Gewalttaten, nicht aber die Männer selbst.

Wer sind die Täter?

"Sie kommen aus allen sozialen Schichten. Es gibt keine typische Herkunft, kein spezielles Alter", sagt Diplom-Pädagogin Petra Bräcklein. Einer der Kursteilnehmer ist Manuel. Seinen Namen haben wir geändert. Er ist Ende 30 und Handwerker. Im Streit hat er seiner Ex-Partnerin, der Mutter seines Sohnes, eine Ohrfeige gegeben.

"Sie hat mich angeschrien danach. Und dann hat sie die Polizei gerufen. Sie war halt total vor den Kopf gestoßen, weil sie nie damit gerechnet hätte. Ich hatte ihr eigentlich auch gesagt, dass ich ihr nie wehtun würde. Was aber dann passiert ist." Manuel (Name geändert)
Kai (Name geändert) nimmt freiwillig an dem Seminar teil | Bildquelle: Inke Köster

Der Gewaltpräventionskurs wurde Manuel vom Jugendamt auferlegt, so wie einigen anderen Teilnehmern auch. Kai - auch er heißt eigentlich anders - nimmt freiwillig an dem Seminar teil. Der Ingenieur hatte aus Wut einen Teller vom Tisch gefegt.

"Ich hab in dem Moment meine Frau angeschaut und die Tränen, die ihr runter liefen. Und da hab ich mich gefragt: Was machst du hier?" Kai (Name geändert)

Was sind die Auslöser?

In dem Seminar sollen die Männer auch reflektieren, wie es bei ihnen zu den Ausbrüchen kommen konnte und was sie triggert. Manuel waren die ständigen Unterstellungen zu viel, er habe etwas mit anderen Frauen. Er fühlte sich dadurch provoziert. Dazu kam Stress auf der Arbeit. Bei Kai waren es ein anstrengender 12-Stunden-Arbeitstag und, wie er sagt, Hunger.

"Ich habe eine kleine Tochter und meine Frau konnte die nicht richtig beruhigen. Und dann war ich daran schuld, und ich wollte einfach nur etwas essen in dem Moment und danach mit der Kleinen spielen. Aber die Zeit hatte ich halt nicht. Und in dem Moment ist der Teller geflogen." Kai (Name geändert)

Verantwortung übernehmen

Alle Übungen, die Alexander Lajios und Petra Bräcklein mit den Teilnehmern machen, haben ein Ziel: Sie sollen ihnen helfen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und gewaltfreie Lösungsstrategien zu entwickeln.

"Wir entwickeln auch einen Notfallkoffer mit den Teilnehmern. Was mache ich in einer Notfallsituation? Habe ich vielleicht einen Freund, den ich anrufen kann? Dem ich sagen kann, ich muss jetzt mal eben die Wut rauslassen, bevor ich wieder etwas kaputt schlage," sagt Petra Bräcklein, Fachkraft für häusliche Gewalt.

Erste Erfolge

Manuel (Name geändert) konnte einige Hinweise aus dem Seminar schon anwenden | Bildquelle: Inke Köster

Sie sind noch am Anfang des Kurses. Aber die Tipps, die sie bisher bekommen haben, konnten Manuel und Kai schon erfolgreich anwenden. Manuels Frau hat sich nach der Ohrfeige von ihm getrennt. Durch das gemeinsame Kind stehen die beiden aber weiterhin in Kontakt. Manchmal gibt es dann Reibereien.

"Wenn ich merke, dass es nicht mehr geht, dann sage ich Bescheid, dass ich jetzt mal für eine Stunde weg bin oder zwei, und dann trifft man sich halt später nochmal wieder." Manuel (Name geändert)

Manuel geht raus aus der Situation und sucht das Gespräch wieder, wenn die Gemüter sich beruhigt haben. Auch Kai hat kleine, aber sehr effektive Stellschrauben gefunden: "Ich komme jetzt zum Beispiel nicht mehr ausgehungert und ein bisschen gechillter nach Hause, und schwupps die wupps ist die Welt schon ganz anders."

Manuel und Kai können das, was sie getan haben, nicht mehr rückgängig machen. Aber sie möchten dafür sorgen, dass es nie wieder passiert.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 29.11.2023 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit Bergisches Land.