Weizenpreis auf Rekord-Hoch: Wird unser Brot zum Luxusgut?

Stand: 19.05.2022, 06:00 Uhr

436 Euro! Am Montag ist der Preis für eine Tonne Weizen auf ein neues Rekord-Hoch geklettert. Was bedeutet das für Verbraucher in Deutschland und ärmere Länder?

Der durch den russischen Angriff auf die Ukraine ohnehin schon hohe Weizenpreis steigt wegen der Hitzewelle im wichtigen Anbauland Indien weiter nach oben. Im europäischen Handel kostete eine Tonne Weizen am Montag 436 Euro. Tendenz noch am selben Tag: weiter steigend.

Indien hatte Ende vergangener Woche ein Exportverbot für Weizen verkündet, um vor allem die Versorgungssicherheit im eigenen Land zu gewährleisten. Welche Folgen hat das für hiesige Verbraucherinnen und Verbraucher?

Wie hat sich der Weizenpreis entwickelt?

"Der Preis für eine Tonne Weizen für Lieferungen im September - also für die neue Weizenernte - lag an der Warenterminbörse in Paris (MATIF) vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine etwa bei 250 Euro. Stand Montag (16.05.2022) werden die sogenannten Warenterminkontrakte für 436 Euro die Tonne gehandelt", berichtet Ute Schyns aus der WDR-Wirtschaftsredaktion.

Wichtig: Es handelt sich dabei um Preise für Weizen, der jetzt noch auf den Feldern wächst. Der Bäcker kauft seinen Weizen natürlich nicht an der Warenterminbörse in Paris, sondern Mehl oder Backmischungen bei Zwischenhändlern. Der Preis, den der Zwischenhändler zahlt, hängt vom Zeitpunkt des Einkaufs ab.

Wie teuer wird Brot?

Würde sich der Preis für ein Weizenbrot am Preis vom 16. Mai an der Warenterminbörse orientieren, würde ein Kilo Brot allein durch den Preisanstieg beim Rohstoff Weizen etwa 16 Cent teurer werden.

Der Preisanstieg kommt so zustande: Für ein 1.000-Gramm-Weizenbrot müssen Landwirte laut Bundesinformationszentrum Landwirtschaft rund 850 Gramm Weizen ernten. Demnach würde der Bäcker bei einem Weizenpreis von 436 Euro pro Tonne für ein Kilo Brot allein für Weizen 37 Cent zahlen. Vor Kriegsbeginn hätte er bei einem Weizenpreis von 250 Euro pro Tonne 21 Cent für ein Kilo Brot zahlen müssen.

Ist Weizen der einzige Preistreiber beim Brot?

Nein. "Außer dem Rohstoff hat sich auch der Preis für Energie drastisch verteuert. Dadurch verteuern sich wiederum das Backen und der Transport der Brote. Zudem sind die Lohnkosten bei den Bäckern gestiegen", sagt WDR-Wirtschaftsexpertin Schyns.

Wie haben sich die Preise im Vergleich zum Vorjahr verändert?

Laut Statistischem Bundesamt haben sich die Preise im April 2022 für Brot und Getreideerzeugnisse insgesamt um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verteuert. Brot und Brötchen kosteten 9,6 Prozent mehr als im April 2021, Weizenmehl sogar 21,4 Prozent mehr.

Drohen Hungersnöte in ärmeren Ländern?

Die Ukraine war bis Kriegsbeginn einer der großen Weizen-Exporteure unter anderem für Länder in Nordafrika und Asien. Durch den Krieg ist laut Weltbank der Großteil der Exporte zum Erliegen gekommen, die über Häfen am Schwarzen Meer verschifft werden. Den Vereinten Nationen zufolge können derzeit etwa 25 Millionen Tonnen geerntetes Getreide nicht aus dem Land gebracht werden.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte, bis zu 50 Millionen Menschen in Afrika und dem Nahen Osten seien wegen des Kriegs zusätzlich von Hunger bedroht. Länder wie Ägypten, Kenia, der Südsudan, der Libanon und viele andere Staaten waren bislang direkt oder indirekt stark von ukrainischen und russischen Exporten abhängig.

Kommt jetzt gar kein Weizen mehr aus der Ukraine?

Doch, über andere Wege. Nach Angaben von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) haben bereits Transporte auf der Schiene mit Hilfe der Deutschen Bahn begonnen. Die Gütertochter DB Cargo sei dabei, eine "Schienenbrücke" einzurichten, um künftig große Mengen an Agrarprodukten zu Häfen an der Nordsee und der Adria zu transportieren, so Wissing. DB Cargo fahre schon im Auftrag privater Getreideexporteure aus der Ukraine.

Laut Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz verließen derzeit zwei bis drei mit Getreide beladene Züge pro Tag die Ukraine. Die Lieferungen würden über Polen in andere EU-Länder verteilt.