Fastenbrechen: Ramadan wohl kein Treiber der Pandemie

Stand: 01.05.2021, 20:25 Uhr

Nach Weihnachten und Ostern ist nun Ramadan. Das abendliche Fastenbrechen haben viele vor der Pandemie gemeinsam erlebt - das Zusammenkommen ist Tradition. Welchen Einfluss hat der Ramadan auf die Corona-Zahlen?

Von Jörn Seidel

Groß waren die Befürchtungen, dass private Treffen zu Weihnachten und Ostern das Pandemiegeschehen verstärken könnten. Wie sieht es nun zum Ramadan aus, dem Fastenmonat, der am 12. Mai zu Ende geht? Seit bald drei Wochen kommen jeden Abend viele Muslime zum gemeinsamen Fastenbrechen zusammen.

Mindestens eine Million Muslime in NRW

Sollte es durch den Ramadan tatsächlich zu vielen Corona-Infektionen kommen, müsste sich das gerade in Nordrhein-Westfalen bemerkbar machen. Denn nach Schätzungen leben in NRW wohl mindestens eine Million Muslime.

In der dritten Woche des Ramadans zeigt sich nun allerdings: Das Infektionsgeschehen in NRW schwächt sich ab.

Und auch im vergangenen Jahr, als der Ramadan ins Ende der ersten Corona-Welle fiel, trieb das Fastenbrechen die Pandemie offenbar nicht voran.

Politiker in Ahlen fordert vorgezogene Ausgangssperre

Auch in der Stadt Ahlen im Münsterland sind die Corona-Zahlen rückläufig. Trotzdem hat der dortige Fraktionsvorsitzende der Freien Wählergemeinschaft, Heinrich Artmann, den Verdacht, dass es durch das Fastenbrechen vermehrt zu Infektionen kommen könnte.

In einem offenen Brief forderte er Bürgermeister Alexander Berger (parteilos) auf, die dort geltenden Ausgangsbeschränkungen zeitlich vorzuziehen. Dabei verwies er auf den Sonnenuntergang gegen 21 Uhr. "Muslime treffen sich danach normalerweise im Freundes- und Familienkreis zum gemeinsamen Fastenbrechen. Eine Ausgangssperre ab 22 Uhr kommt dann zu spät."

Auf Nachfrage des WDR erklärte Artmann: "Es geht ja nicht darum, dass es Muslime sind." Vielmehr gehe es um "Großfamilien", in denen es in Ahlen eben zu vielen Infektionen komme. "Und die Großfamilien in Ahlen heißen typischerweise nun mal nicht Müller, Meier, Schulze."

Bürgermeister: Viele Infektionen "in großen Familienverbünden"

Tatsächlich bestätigt Bürgermeister Berger gegenüber dem WDR, dass es in Ahlen besonders "in großen Ballungsräumen, in Bereichen, wo die Menschen eng zusammenleben, auf kleinem Wohnraum, in großen Familienverbünden" vermehrt Corona-Fälle gebe.

"Es ist Fakt, dass die Inzidenzen in Vierteln mit hohem Migrationshintergrund überproportional hoch sind", sagte die Migrationsexpertin Düzen Tekkal (CDU) dem WDR. Das dürfe man nicht tabuisieren.

Vier große NRW-Städte: Im Ramadan nicht vermehrt Regel-Verstöße

Welche Rolle das Fastenbrechen beim Infektionsgeschehen spielt, bleibt aber unklar. Zu Verstößen gegen die Kontaktbeschränkungen kommt im Ramadan offenbar nicht vermehrt, wie eine WDR-Anfrage in den Städten Köln, Dortmund, Duisburg und Hagen zeigt. Auch dem NRW-Innenministerium ist davon nichts bekannt.

Trotzdem meint der Psychologe und Autor Ahmad Mansour: "Ich bin mir sicher, dass in manchen Familien, in manchen Bezirken das auch stattfindet", wie er am Samstag in der "Aktuellen Stunde" sagte.

Beispiele für einen coronakonformen Ramadan gibt es hingegen viele. So trifft sich manch einer virtuell mit Freunden und Familie, um abends gemeinsam das Fastenbrechen zu begehen.

Junger Gläubiger: Frühere Ausgangssperre sinnlos

Trotzdem komme es sicherlich auch unter Muslimen zu einzelnen Verstößen gegen die Corona-Regeln, sagt ein junger Gläubiger in Ahlen dem WDR. Er selbst und viele andere Muslime würden sich aber an die Regeln halten. Dazu werde in den Moscheen auch ständig aufgerufen.

Aber selbst dann, wenn es zu Verstößen gegen die Kontaktbeschränkungen komme, seien vorgezogene Ausgangsbeschränkungen wenig zielführend, meint der junge Mann. Denn beim Fastenbrechen gehe es nicht ums schnelle Essen, was man mal eben zwischen 21 und 22 Uhr erledige. "Ganz ehrlich: In einer Stunde kann ich mein Essen nicht genießen."