Flache Landschaft mit dunkel bewölktem Himmel aus dem ein Tornado zum Boden reicht.

Naturgewalten

Tornados

Tornados sind die schnellsten Winde der Welt. Sie fräsen mit Geschwindigkeiten von mehr als 500 Kilometern pro Stunde alles nieder, was im Weg ist, und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Wissenschaftler sind dem Wind auf der Spur.

Von Dirk Beppler

Was ist ein Tornado?

Tornado stammt aus dem Spanischen und bedeutet "drehend". In den USA werden sie aus dem gleichen Grund umgangssprachlich "Twister" genannt, in Deutschland heißen sie auch Windhose oder Großtrombe. Auch wenn Tornados in Mitteleuropa noch nicht lange erforscht werden, sind sie doch meist ebenso gefährlich wie die in Amerika.

Schon 1917 definierte der deutsche Metereologe Alfred Wegener Tornados so: ein schnell rotierender Luftwirbel, der von der Unterseite einer Wolke bis zum Erdboden reicht und am unteren Ende alles mitreißt. Kleine Tornados wirbeln Laub oder Staub auf, große zerstören Städte.

Auch der Durchmesser des Schlauchs variiert stark, 20 Meter sind vorstellbar, aber auch ein Kilometer. Wandert der Luftschlauch über Wasser, saugt er es hoch und wird so zur Wasserhose. Meteorologen haben großen Respekt vor diesen lebensgefährlichen Wirbelstürmen.

Tornados entstehen in wenigen Minuten, sind schwer vorhersagbar, schlagen unberechenbare Haken – und fast alles, was der gierige Luftschlauch ansaugt, zerlegt er mit brachialer Gewalt in Trümmer, auch Meteorologen oder deren Messgeräte.

Tornados weltweit

Tornados entstehen in Gewittern. Die meisten fegen durch die USA, denn hier toben jedes Jahr etwa 100.000 schwere Gewitterstürme. Aus denen formieren sich etwa 1200 wirbelnde Luftschläuche: Tornados! Im März, April und Mai haben sie Hochsaison. Während dieser Zeit herrschen ideale Bedingungen zur Entstehung dieser Supergewitter oder der sogenannten Superzellen.

Die Bundesstaaten Texas, Oklahoma, Kansas und Nebraska gelten als extrem tornadogefährdet: Sie liegen in der "Tornado Alley", mitten in der Zugbahn der Gewitterzellen samt ihren Wirbelstürmen. Aber auch in Deutschland, England, Italien, Osteuropa und Argentinien wüten regelmäßig Tornados.

Tornado aus dem Weltall

Tornados treten weltweit auf

Wäre Deutschland ein Bundesstaat der USA, dann wäre es immerhin auf dem 10. Platz, was die Häufigkeit dieser Wirbelstürme angeht. Und auch die Stärke unserer Tornados ist absolut ernst zu nehmen. Oft wüten sie zwar weniger gewalttätig als die Twister in den Staaten, aber eben nur oft:

Etwa jeder Hunderste ist verheerend, egal ob in Deutschland oder in den USA. In Nordamerika sind das im Schnitt etwa zwölf pro Jahr, in Deutschland immerhin während 20 bis 30 Jahren einer.

Die Annahme, es gebe in Deutschland mehr Tornados als früher, lässt sich nicht belegen. Wahrscheinlicher ist, dass einfach mehr Tornados beobachtet werden und mehr Menschen eine Kamera dabei haben, um die Naturgewalt festzuhalten. Außerdem gibt es mehr Tornadojäger, die sich sowohl in den USA als auch in Deutschland in Vereinen organisiert haben.

Tornado-Wucht

Die Meteorologen konnten es nicht fassen: Am 3. Mai 1999 verfolgten sie einen Tornado in Oklahoma. Über 70 wüteten an diesem heißen Tag über dem Süden der USA. Immer wieder peilten sie mit ihrer mobilen Radaranlage den riesigen, rotierenden Luftschlauch an. Sie wollten wissen, wie schnell sich die Luft im Inneren der Säule aus Dreck, Trümmern und Staub dreht.

Denn es sind die hohen Geschwindigkeiten, die Tornados zu Killerwinden machen. Lange dachten die Menschen, Häuser explodierten durch schnelle Druckschwankungen beim Heranziehen der Winde, in Wirklichkeit werden sie einfach weggedrückt.

Bei Bridge Creek glückte endlich eine Messung, doch was das Dopplerradar für diesen Tornadorüssel anzeigte, überraschte selbst absolute Experten: 510 Kilometer pro Stunde! Die schnellste je auf der Erde gemessene Windgeschwindigkeit.

Tornado in Mecklenburg-Vorpommern

Eine sich drehende Säule aus Dreck, Trümmern und Staub: der Tornadorüssel

Wenn Luft mit dieser Gewalt vorbeipeitscht, herrscht absolutes Chaos. Die Wirkung am Boden entspricht der Druckwelle einer Atombombe. Verdoppelt sich die Geschwindigkeit, vervierfacht sich der Druck! Solide Holzhäuser können von den Fundamenten und Asphalt von der Straße gerissen werden. Autobusse, entwurzelte Bäume, Holzhäuser wirbeln durch die Luft.

Bei diesen hohen Geschwindigkeiten werden aber auch kleine umherfliegende Trümmerteile zu tödlichen Geschossen. Ein Strohhalm kann den Hals eines Menschen durchschlagen. Experten schätzen, dass die Luft in einem Tornadorüssel mit über 800 Stundenkilometer wirbelt. Messinstrumente werden zermalmt, auch Hightech von außen hilft nicht immer weiter:

Über Dopplerradar können die Geschwindigkeiten zwar gemessen werden, doch dazu muss der Messtrupp in die Nähe des Tornados vorstoßen. Und der kann jeden Moment, unvorhersagbar, die Richtung ändern. Allerhöchste Lebensgefahr!

Sanfte Launen der Tornados

Nicht alles, was ein Tornado mitreißt, wird zermalmt. Der extrem starke aufsteigende Wind an der Außenseite, nach unten gerichteten Strömungen im Innern und das ständige chaotische Hin und Her des Rüssels sorgen manchmal für weiche Landungen:

  • Am 11. April 1965 wüteten in Ohio 51 Tornados. 256 Menschen starben während dieses Outbreaks. Andere hatten Glück: Ein Jugendlicher wurde von einem Tornado aus dem Bett gezogen, aus dem Fenster gerissen und auf der Straße draußen abgesetzt –ohne eine Schramme.
  • Während desselben Outbreaks im Nachbarstaat Indiana: In Dunlap riss ein Tornado ein 18-monatiges Kleinkind aus einem gerade einstürzenden Haus und setzte ihn 50 Meter entfernt wieder ab, allerdings mit einem blauen Auge.
  • 1974, Xenia in Ohio: Ein Tornado verwüstete ein Bauernhaus samt der kompletten Einrichtung – jedenfalls fast. Drei Dinge blieben heil: ein Spiegel, eine Kiste Eier und eine Schachtel mit Weihnachtsschmuck.

(Erstveröffentlichung 2004, letzte Aktualisierung 30.09.2020)

Quelle: SWR