Kirchenmitarbeiter entsetzt - Kardinal habe Vertrauen verloren

Stand: 15.08.2022, 15:37 Uhr

Der Kölner Kardinal Woelki wird in einem offenen Brief attackiert: Zum ersten Mal äußern sich 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums und werfen ihrem Chef vor, ihr letztes Vertrauen verloren zu haben.

Von Christina Zühlke

"Wir als Unterzeichner*innen sind betroffen und entsetzt. Die neuerlichen Enthüllungen über die Kommunikationsstrategie des Kardinals und seiner Mitarbeitenden in der Leitung empören uns", schreiben die Priester, Pastoralreferentinnen und andere Mitarbeitende im Bistum und ergänzen ihre Kritik mit vielen Einzelstatements. Die Krise habe nun einen nicht vorstellbaren Tiefpunkt erreicht. Auch eine Stellungnahme von Woelkis Stellvertreter, Generalvikar Guido Assmann, habe das "in keiner Weise bewältigen" können.

Eines Kardinals nicht würdig

Die Beauftragung einer Kommunikationsagentur allein sei noch nicht verwerflich. Inakzeptabel aber sei die Strategie, die von der Agentur vorgeschlagen wurde. "Sie auch noch eins zu eins umsetzen ist eines katholischen Christen und erst recht eines Kardinals nicht würdig", erklärt Ingrid Kloß, stellvertretende Diözesanvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft.

Beeinflussung von Betroffenen

Kern der Vertrauenskrise ist der Streit um ein Gutachten zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln. Es war praktisch fertig, als der Kardinal und seine Berater gegen die Veröffentlichung entschieden. Woelki begründet das mit inhaltlichen und äußerungsrechtlichen Mängeln, was die Gutachter zurückwiesen.

Fragwürdige PR-Strategie

Eine Recherche des Kölner Stadtanzeigers zeigte nun: Die externen PR-Strategen planten eine Art Beeinflussung des Betroffenen-Beirats um deren Zustimmung zur Nichtveröffentlichung zu bekommen. Am Ende stimmten die Betroffenen zu. Auch einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Bistum, mit der der Kardinal und seine Mitarbeiter ihre Kehrtwende untermauern konnten.

Betroffenenperspektive fehlt

Die Mitarbeitenden schreiben nun in ihrem Brief: "Wir schließen uns den Aussagen Betroffener an: Der Betroffenenbeirat ist in dem Streit um die Gutachten instrumentalisiert worden. Es war und ist nicht zu erkennen, dass die Betroffenenperspektive handlungsleitend war und ist."

Die Aussage, dass die Sicht der Betroffenen handlungsleitend sein solle, hatte Generalvikar Assmann noch am Donnerstag in seinem Brief an die Mitarbeitenden betont. Auf eine aktuelle Bitte um ein Statement hat das Erzbistum bisher nicht reagiert.

Keine Voraussetzung mehr für Dialog

Waren bisher viele Mitarbeitende noch bereit, die Gesprächsangebote des Kardinals anzunehmen, könnte sich das nun ändern: "Für mich ist momentan die Voraussetzung für einen Dialog mit der Leitung rund um Erzbischof Woelki nicht mehr gegeben", erklärt Regina Oediger-Spinrath, Sprecherin des Berufsverbands der Pastoralreferent:innen.

Auch Pfarrer äußern Kritik

Auch einige Pfarrer haben den Brief unterschrieben. Sie stehen in einem besonderen Konflikt, den Klaus Thranberend so beschreibt: "Ich komme an meine Grenze, was mein Gehorsamsgelübde dem Bischof gegenüber angeht und frage mich, wozu ich die Treue versprochen habe." Der Pastoralreferent Peter Otten ergänzt: "Die Bistumsleitung hat in erster Linie ihren eigenen Machterhalt im Blick. Dieses Agieren ist zynisch und traumatisiert die Betroffenen immer wieder neu".

Die Unterzeichnenden fordern, dass Macht im Bistum in Zukunft geteilt und besser kontrolliert werden müsse. Das ist eine Forderung, die viele kirchliche Laien ebenfalls erheben. Bisher ist es allerdings so, dass am Ende in jedem Bistum der Bischof alleine entscheiden kann. Nur einzelne Bischöfe deuten an, dass sie sich gravierende Veränderungen vorstellen könnten.

Der Brief endet mit dem Aufruf zum "Aufstehen und Einstehen für alle Betroffenen und für eine Kirche, die sich der Menschen annimmt und sich auflehnt gegen Machtmissbrauch."

Karl Haucke sitzt in einem Konferenzraum des WDR in Köln

Erste Reaktionen auf den Brief kamen schon von Karl Haucke, einem der Betroffenen, der damals auch davon sprach, dass der Kardinal ihn und andere für seine Zwecke missbraucht habe. Haucke sagte dem WDR, dieser Brief sei sehr wichtig für ihn: "Bisher waren es ein paar widerständige Laien, die sich aufgelehnt haben." Jetzt sagten zum ersten Mal auch Priester und Pastoralreferenten, dass sie sich benutzt fühlten. Hauckes Hoffnung: "Vielleicht führt das im nächsten Schritt zur offenen Rebellion."

Die Woelki-Kritikerin und Sprecherin der Reforminitiative Maria 2.0, Maria Mesrian, sprach von einem "starken Zeichen." Dem WDR sagte sie: "Wenn die Hauptamtlichen sich von Kardinal Woelki distanzieren, dann ist der Hirte ohne Herde." Wie er dann noch seine Amtsgeschäfte ausführen wolle, sei für sie nicht vorstellbar. Egal, wie der Papst über ihn entscheide. In der Nacht zum Montag (15.08.2022) hatten Mitglieder der Reforminitiative symbolisch das Portal des Generalvikariates mit Flatterband und der Botschaft "Geschlossen wegen moralischen Bankrotts" versperrt. Mitarbeiter des Generalvikariats entfernten die Absperrung jedoch schnell wieder.

Von einem weiteren Mosaikstein sprach der Kirchenrechtler Thomas Schüller aus Münster im WDR. Symbolpolitisch sei das schlecht für den Kardinal, rechtlich aber kein Problem für ihn.

Über dieses Thema berichtet die Lokalzeit aus Köln am 15.08.2022 im Hörfunk auf WDR2 und im WDR-Fernsehen.