NRW gibt Gas – trotz hoher Benzinpreise

Stand: 15.06.2022, 11:40 Uhr

Benzin und Diesel sollten billiger werden. Passiert ist bisher wenig. Doch Konsequenzen ziehen Autofahrer daraus nur selten. Das zeigt eine große Datenanalyse des Navigeräte-Herstellers TomTom auf Anfrage des WDR.

Das Ergebnis der Datenanalyse, in der im Mai 2022 das Fahrverhalten von etwa vier Millionen Autofahrern auf circa 4.000 Autobahnkilometern ausgewertet wurde: Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Autobahnen in NRW liegt derzeit bei 99 km/h. Im Februar, vor der großen Spritpreiserhöhung, lag sie bei 101 km/h.

Diese Geschwindigkeit sieht auf den ersten Blick moderat und diszipliniert aus. "Es ist aber im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Baumaßnahmen zugenommen haben in den Sommermonaten", sagt Datenanalyst Ralf-Peter Schäfer von TomTom. "Ansonsten sehen wir keine signifikante Veränderung beim Fahrverhalten."

Der Haken steckt im Detail

Wer in die Details der riesigen Datensammlung eintaucht, entdeckt ein weiteres Problem: Der Durchschnittswert zeigt einen trügerischen Ausschnitt. 15 Prozent der Autofahrer in NRW fahren nämlich 130 km/h bis 150 km/h. Und auch die sind so schnell unterwegs wie immer. Dabei gebe es gerade hier das Potential, Treibstoff zu sparen und damit die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zum Beispiel aus Russland zu verringern. Je nach Automodell und Fahrweise sind etwa 20 Prozent Einsparung möglich, sagt der ADAC Nordrhein.

Riesiges Sparpotential

"Bei einem generellen Tempolimit von 100 auf Autobahnen könnte der Kraftstoffverbrauch um über drei Milliarden Liter gesenkt werden", sagt Claudia Kemfert vom Institut für Wirtschaftsforschung. "Das würde gleichzeitig auch über neun Millionen Tonnen CO2 einsparen."

Aber warum zeigen Autofahrer dieses paradoxe Verhalten: Sie stöhnen über hohe Benzinpreise, fahren aber trotzdem so schnell wie bisher und verschenken damit bares Geld? Eine Umfrage an einer Autobahnraststätte liefert viele Gründe: Zeitdruck durch volle Terminkalender, Gruppendruck durch andere schnell fahrende Autofahrer oder ein Arbeitgeber, der die Tankkosten bezahlt.

Das Auto macht uns irrational

Einen weiteren Teil der Antwort hat Michael Haeser. Als Verkehrspsychologe beschäftigt er sich sonst mit notorischen Rasern und weiß daher, dass zügiges Fahren etwas Seltsames mit uns macht. "Je schneller ich fahre, desto mehr stößt der Körper Adrenalin aus. Gleichzeitig werden Endorphine ausgeschüttet, die unglaublich Spaß machen", sagt der Duisburger. Und weil es hier um Emotionen gehe und nicht um bewusste Entscheidungen, seien Appelle an die Vernunft der Autofahrer meistens sinnlos.

Müssen Verbote her, weil wir es allein nicht schaffen?

Das zeigen auch hohe Benzinpreise und immer leerere Portemonnaies. Die Konsequenzen: fast keine. Und darum fordern bei der Umfrage auf dem Rastplatz selbst Autofahrer, der Staat müsse endlich handeln. Ein Tempolimit solle das richten, was Autofahrer allein nicht hinkriegen.

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