Bauern blockieren den Eingang des Distributionszentrums eines Supermarktes, um gegen die Stickstoffpolitik der Regierung in Nijkerk zu protestieren

Protestierende Bauern: In den Niederlanden drohen leere Supermarktregale

Stand: 05.07.2022, 18:38 Uhr

Weil die niederländische Regierung strengere Umweltauflagen will und Vieh-Betrieben das Aus droht, gehen die Bauern auf die Barrikaden. Auch Urlauber bekommen die Wut zu spüren.

Wer in diesen Tagen in den Sommerurlaub in Richtung Niederlande aufbricht, sollte sich nicht wundern, wenn der Weg plötzlich von einer Kolonne an Traktoren blockiert wird. Denn im Moment gibt es groß angelegte Proteste von niederländischen Bauern gegen Umweltauflagen. Die treffen zunehmend den Alltag in dem Land.

Bauern blockieren den Eingang des Distributionszentrums eines Supermarktes, um gegen die Stickstoffpolitik der Regierung in Nijkerk zu protestieren.

Für die Lkw gibt es kein Durchkommen wegen der Blockade

Erst am Montag wurden die seit Wochen laufenden Aktionen ausgeweitet. Nun sind auch Supermärkte und Häfen im Visier. So werden Zufahrten zu den großen Lagern der Supermärkte mit Traktoren blockiert. Die Lastwagen haben keine Chance, das Lager zu verlassen. Allein am Montag waren mehr als 20 Distributionszentren der großen Supermarktketten betroffen. Am Dienstag wurden die Blockaden fortgesetzt.

Müssen Urlauber aus NRW nun mit leeren Supermarktregalen rechnen, wenn sie vor Ort einkaufen gehen? Ausgeschlossen ist das nicht. Regionale Medien berichten bereits von leeren Regalen in einigen Märkten. Vor allem frische Produkte wie Brot, Gemüse, Obst und Milch würden knapp. Der Zentrale Verband des Lebensmittelhandels in den Niederlanden nennt die Blockaden "total unakzeptabel" und spricht von ersten Versorgungsengpässen.

"Das kann nicht länger so weiter gehen." Marc Jansen, Direktor des Zentralen Lebensmittelverbandes

Blockade von Autobahnen und Fähren

 Die Polizei ist auf der A67 bei Eindhoven anwesend, um in einen Bauernprotest einzugreifen. Bei Hapert wurde die Straße von mehreren landwirtschaftlichen Fahrzeugen blockiert.

Bauern blockieren eine Autobahn bei Eindhoven

Auch an anderer Stelle spüren Urlauber die Folgen des Protests. Seit zwei Wochen werden immer wieder Autobahnen und Zubringer blockiert. Vereinzelt kommt es dann zu langen Staus - auch an der deutschen Grenze etwa bei Enschede, Venlo und Eindhoven. Am Montag solidarisierten sich erstmals auch Fischer mit den Bauern. Sie blockierten mit ihren Booten die Häfen. Die Folge: Mehrere Stunden lang konnten die Fähren nicht zu den Inseln fahren. Die Reedereien warnten vor langen Wartezeiten.

Geht es nach den Landwirten, sollen die Proteste noch mehr zu spüren sein. Sie haben dazu aufgerufen, "das gesamte Land lahm zu legen". Doch die angekündigten Blockaden der Flughäfen bleiben vorerst aus.

Immerhin bleiben die Aktionen nun friedlich. Denn zuletzt war es auch zu Gewalt gekommen. Vor dem Privathaus der niederländischen Umweltministerin lieferte sich eine Gruppe Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bei einer anderen Aktion wurde ein Polizeiwagen attackiert. Auch soll es zu Angriffen auf Beamte gekommen sein. Mehrere Menschen wurden festgenommen.

Weniger Vieh, um Schadstoffe zu senken

Was sorgt dafür, dass die Wut der Bauern derzeit so hoch kocht? Konkret geht es um strengere Auflagen zum Ausstoß von Schadstoffen wie Stickoxid und Ammoniak. Seit Jahrzehnten ist der in den Niederlanden zu hoch. Nun hat die Regierung bestimmt, dass er bis 2030 um rund 50 Prozent reduziert werden muss.

Und das hat ganz konkrete Folgen für die Landwirte. Denn vor allem die Viehzucht gilt als verantwortlich für das Problem. Zwar sollen die lokalen Regierungen der einzelnen Provinzen Pläne erarbeiten, wie die Ziele erreicht werden. Doch schon jetzt ist klar, dass es um eine deutliche Verringerung des Tierbestandes geht. Von 30 Prozent weniger Vieh-Betrieben ist die Rede. Die Landwirte sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und fürchten um ihre Zukunft. Deshalb jetzt der Protest.

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Der Zentrale Verband des Lebensmittelhandels fordert die Polizei auf, gegen die Blockaden einzuschreiten. Dazu ist es bislang nicht gekommen. Die niederländische Regierung hat am Wochenende immerhin einen Vermittler bestimmt, der Gespräche zur Lösung des Konflikts leiten soll. Doch bisher gibt es keine Aussicht, dass die Aktionen ausgesetzt werden.

NRW-Bauern: Kein Vergleich zu uns

Ein Überschwappen der Proteste über die Grenze nach NRW zeichnet sich im Moment nicht ab. "Ich sehe hier bei uns nichts Vergleichbares mit dem, was sich gerade in den Niederlanden abspielt", sagt Hans-Heinrich Berghorn vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband dem WDR. Das Problem mit den Schadstoffen sei in den Niederlanden größer als hierzulande, weshalb dort jetzt auch mehr Schritte nötig seien. Hinzu komme eine andere Mentalität. "Wir haben es in Holland schon verschiedene Male erlebt, dass sich dort Protest radikalisiert hat. Auch deutsche Bauern demonstrieren mit Recht hin und wieder lautstark, aber eine Radikalisierung wie in Holland haben wir hier nicht."

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