Gemeinde in Coesfeld will endlich Klarheit im Missbrauchsfall

Stand: 09.08.2022, 20:00 Uhr

Der Skandal um einen unter Missbrauchverdacht stehenden Priester in Coesfeld hat am Montagabend viele Gemeindemitglieder wütend gemacht: Die schweren Vorwürfe gegen Priester P. seien vertuscht und die Menschen vor Ort belogen worden.

Von Heike Zafar

Die Kirchengemeinde sitzt in der St. Jakobi Kirche

Mit Empörung diskutierte die Gemeinde den Fall

So viel Wut und Empörung gab es in der Kirche St. Jacobi in Coesfeld wohl selten. Und auch so kritische Worte Richtung Kirchenführung dürften nicht die Regel sein: "Wir wurden verdonnert, zu schweigen, uns wurde ausdrücklich verboten, über die Vergangenheit des Priesters zu sprechen.", sagt Ilka Schmeing.

Schmeing ist in den 1990er Jahren Pastoralreferentin in der Gemeinde gewesen und wusste schon damals von den Vorwürfen gegen Pfarrer P.: Der inzwischen verstorbene Weihbischof Voss habe damals behauptet, die Opfer hätten sich Stillschweigen gewünscht - eine glatte Lüge, wie sich später herausstellte.

Nach Exkommunikation zurück ins Pfarramt

Priester, Kinder, Symbolbild sexueller Missbrauch von Jugendlichen durch Geistliche

Erste Fälle in den 1980er Jahren führten zur Exkommunikation

Der Fall von Pfarrer P. ist im Gutachten der Uni Münster zu den Missbrauchsfällen im Bistum detailliert beschrieben: Er soll in den 1980er Jahren in seiner Heimatgemeinde Berlin unter anderem einen 11-Jährigen und einen 16-Jährigen missbraucht haben.

Die Strafe war - aus katholischer Sicht - hart: P. wurde exkommuniziert. Das kommt nicht nur einem Berufsverbot, sondern quasi einem Ausschluss aus der katholischen Kirche gleich. Doch P. habe stets alle Vorwürfe bestritten, so steht es im Missbrauchsgutachten.

Lettmann machte sich stark und Ratzinger den Weg frei

Transparent gegen sexuelle Gewalt

Versetzung statt Anzeige - das macht viele Gläubige wütend

Sein Duz-Freund Bischof Reinhard Lettmann machte sich für die Rehabilitierung in einem Brief stark, in dem er darauf drang, die Gründe für die Bestrafung zu verschleiern. Der spätere Papst, Joseph Kardinal Ratzinger, machte den Weg zurück ins Pfarramt frei. 

P. wurde im Bistum Münster mit offenen Armen empfangen, Bischof Lettmann setzte ihn als Priester und Seelsorger ein. Die Gemeinde erfuhr nichts von seiner Vorgeschichte. Mit fatalen Folgen: Zwei Betroffene berichteten gegenüber dem WDR, dass P. in Coesfeld wieder zum Täter wurde.

Viele Zuhörer in einem Saal von oben fotografiert.

Kein Fall in Coesfeld hieß es bei Vorstellung der Missbrauchsstudie

Als das Missbrauchsgutachten der Uni Münster veröffentlicht wurde, fragten die Coesfelder aktiv nach, ob es auch einen Fall in ihrer Gemeinde gegeben hätte. Dies wurde klar verneint, empört sich eine Frau.

Beschuldigter im Missbrauchsgutachten anonymisiert

Im Gutachten ist der Anfangsbuchstabe des Namens verändert, der Ort wird gar nicht erwähnt. Damit sollte eine Verleumdungsklage des Priesters vermieden werden, sagt der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, Peter Frings. Die Vorwürfe seien nicht bewiesen.

Es waren - mal wieder - vor allem die Betroffenen, die nicht locker ließen, weshalb der Fall nun doch noch öffentlich wurde. Die Empörung in der Gemeinde ist groß: Das Bistum habe sich statt vor die Kinder vor den Täter gestellt.