Aus 800 Mark Mietkaution werden über 100.000 Euro für Tochter

Stand: 26.07.2022, 17:55 Uhr

Die Mietkaution betrug ursprünglich 800 Mark. Nach vielen Jahren waren daraus mehr als 100.000 Euro geworden, weil das Geld in Aktien angelegt war. Der Vermieter wollte die Kursgewinne nicht herausgeben - muss er aber, sagt das Amtsgericht Köln.

Nach dem Tod ihrer Eltern in Köln soll die Tochter von der früheren Vermieterin nun die Kaution zurückbekommen – und zwar Aktien im Wert von mehr als hunderttausend Euro. Die Vermieterin könne sie nicht mit den einst hinterlegten 800 Mark abspeisen, das entschied das Amtsgericht Köln in einem am Dienstag bekanntgegebenen Urteil. Gegenteilige Vereinbarungen im Mietvertrag seien nichtig.

Die inzwischen verstorbenen Eltern der Klägerin hatten 1960 bei einer Wohnungsgesellschaft in Köln eine Wohnung gemietet. Sie zahlten eine Kaution in Höhe von 800 Mark. Im Mietvertrag wurde festgelegt, dass der Vermieter das Geld in Aktien anlegen durfte - was er auch tat. Zudem wurde vereinbart, dass der Vermieter nach dem Ende des Mietverhältnisses die Aktien herausgeben oder "den Nominalbetrag von 800 DM" auszahlen konnte.

Erbin verlangt Herausgabe der Aktien

2005 zogen die Eltern in eine andere Wohnung der Wohnungsgesellschaft um - die 800 Mark wurden nun in eine Kaution von 409 Euro umgerechnet. Der Treuhänder, der die Aktien verwaltete, zahlte nun auch die Dividenden aus – von 2005 bis 2017 fast 6.000 Euro.

Als 2018 der Mietvertrag endete, erinnerte sich die Wohnungsgesellschaft an die Wahlklausel im Mietvertrag und zahlte 409 Euro zurück. Damit war die Tochter nicht einverstanden. Als Erbin verlangte sie die Herausgabe der Aktien. Diese haben inzwischen einen Wert von mehr als hunderttausend Euro.

Keine Rosinenpickerei für Vermieter

Das Amtsgericht Köln gab nun der Klage der Tochter statt. Laut Gesetz stehe die sogenannte Mietsicherheit "unabhängig von der gewählten Anlageform dem Mieter zu". Davon abweichende Vereinbarungen seien unwirksam.

Bis zum Jahr 2001 musste die Mietkaution allerdings immer auf einem Sparbuch angelegt werden. Erst seitdem ist es gesetzlich zulässig, dass Mieter und Vermieter "eine andere Anlageform vereinbaren". Eine Anlage der Mietsicherheit in Aktien sei im Jahr 1960 noch gar nicht zulässig gewesen. Im Jahr 2005 sei die Kaution aber auf den neuen Vertrag und damit auch in das neue Recht überführt worden.

Eine Wahlfreiheit des Vermieters, die Kaution in Geld oder in Form der Aktien zurückzugeben, sei danach aber nicht zulässig, betonte das Amtsgericht. Andernfalls könnten die Vermieter Rosinenpickerei betreiben und etwaige Kursverluste durch Herausgabe der Aktien auf die Mieter abwälzen.

Einschätzung vom Vorsitzenden des Mieterbunds NRW

Das Gericht habe "grundsätzlich alles richtig gemacht", schätzt André Juffern, Landesgeschäftsführer des Deutschen Mieterbunds NRW, die Entscheidung der Kölner Richter ein. Die Kaution stehe dem Mieter zu, betont der Mieterschützer und Rechtsanwalt im Gespräch mit dem WDR. Eine solche "Rosinenpickerei" halte auch er nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur für juristisch unwirksam, sondern auch für verwerflich.

In seiner langen Zeit als Anwalt habe Juffern einen solchen Fall aber lediglich einmal erlebt. In etwa einem von Tausend Fällen werde die Kaution als Aktienanlage hinterlegt, meinte der Mieterschützer. Es handele sich auch bei der Höhe der Summe um eine "absolute Ausnahme".

Risiko und Gewinn müssten immer zusammenfallen, erklärt der Rechtsanwalt. Daher stehe jedem Mieter in einem solchen Fall das Geld auch in Form der Anlage zu. Mit Blick auf weitere Instanzen, sieht Juffern "gute Chancen, dass das Urteil aufrechterhalten bleibt".

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