Ukrainische Flüchtlinge: Merz entschuldigt sich nach "Sozialtourismus"-Vorwurf

Stand: 27.09.2022, 19:48 Uhr

CDU-Chef Friedrich Merz beklagt "Sozialtourismus" ukrainischer Geflüchteter in Deutschland. Nach heftiger Kritik rudert er auf Twitter zurück.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisiert den Umgang der Bundesregierung mit ukrainischen Geflüchteten. In einem Interview mit "Bild TV", das am Montagabend gezeigt wurde, sprach er von "Sozialtourismus". Für diesen Ausdruck entschuldigte sich der Unionsvorsitzende allerdings am Dienstag auf Twitter.

"Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine." CDU-Chef Friedrich Merz bei "Bild TV" am Montagabend

Der Hintergrund laut Merz: Anfangs hatten Ukraine-Flüchtlinge Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - seit Juni erhalten sie Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger.

Merz: Russische Flüchtlinge noch größeres Problem

Noch größere Probleme erwartet Merz mit Menschen, die aus Russland flüchten - "wenn die Bundesregierung das täte, was die Bundesinnenministerin vorgeschlagen hat, nämlich hier jetzt praktisch allen Verweigerern des Kriegsdienstes, der Mobilisierung in Russland, Zugang zur Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen". Die Union sei "strikt dagegen".

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt, von schweren Repressionen bedrohte Deserteure erhielten im Regelfall internationalen Schutz in Deutschland. "Wer sich dem Regime von Präsident Wladimir Putin mutig entgegenstellt und deshalb in größte Gefahr begibt, kann in Deutschland wegen politischer Verfolgung Asyl beantragen."

Faeser: Aussage von Merz ist "schäbig"

Die Aussage von Merz bei "Bild TV" bezeichnete Faeser auf Twitter als "schäbig". Der CDU-Chef betreibe "Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind", so die Bundesinnenministerin.

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Pressekonferenz mit Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen

Grünen-Chefin Ricarda Lang

Ähnliche Kritik kam auch von einem SPD-Koalitionspartner, den Grünen. "Wie passt es eigentlich mit der viel beschworenen Solidarität der Union mit der Ukraine zusammen, dass Friedrich Merz im Kontext von Menschen, die vor diesem furchtbaren Angriffskrieg fliehen, von 'Sozialtourismus' spricht?", fragte die Vorsitzende Ricarda Lang am Dienstagmorgen auf Twitter.

Merz rudert auf Twitter zurück

Am Dienstag reagierte Merz auf die Kritik. Er bedauere "die Verwendung des Wortes 'Sozialtourismus'", schrieb der CDU-Vorsitzende auf Twitter. Er habe mit seiner Aussage nur auf die mangelnde Registrierung der Flüchtlinge Hinweisen wollen. "Mir lag und liegt es fern, die Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit einem harten Schicksal konfrontiert sind, zu kritisieren."

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Dobrindt sieht Sache nach Entschuldigung als "erledigt" an

Unterstützung bekam Merz aus der eigenen Fraktion: Es könne auch mal ein Satz daneben liegen, sagte CSU-Landesgruppenschaft Alexander Dobrindt, das müsse man nicht auf die Goldwaage legen. Nach der Entschuldigung sieht Dobrindt den Fall als erledigt an.

Keine Belege für Sozialbetrug

Der Vorwurf, Ukrainer und Ukrainerinnen würden in Deutschland Sozialbetrug begehen, ist nicht neu. Bereits Anfang September kursierte eine Sprachnachricht im Messengerdienst Whatsapp, in der behauptet wurde, sie kämen mit dem Flixbus nach Deutschland, um hier Hartz IV zu beziehen und sofort wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Das Recherchezentrum Correctiv fand für diese Behauptungen jedoch keine belastbaren Belege.

Über das Thema berichten wir heute unter anderem auch in den WDR-Hörfunknachrichten.

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