Niedrigere Steuern auf Lebensmittel? Das ist die Idee

Stand: 19.06.2022, 15:22 Uhr

Wegen der steigenden Lebensmittelpreise werden Forderungen laut, die Mehrwertsteuer bei Grundnahrungsmitteln zu streichen. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat sich dafür ausgesprochen, jetzt auch Bayerns Ministerpräsident Söder. Die Idee im Überblick.

Von Jan-Hendrik Raffler

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will, dass bei bestimmten Produkten der Grundversorgung die Mehrwertsteuer gestrichen wird. Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zum Beispiel wären dann sieben Prozent billiger. Seiner Meinung nach würden davon dann vor allem einkommensschwache Haushalte profitieren. Und er sagt, dass man damit zusätzlich einen Anreiz schaffen würde für eine gesunde Ernährung.

Was spricht dafür?

Unterstützung bekommt Özdemir vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. DIW-Chef Marcel Fratzscher sagte dem Handelsblatt, die Erfahrung mit der temporären Mehrwertsteuersenkung im ersten Corona-Jahr hätte gezeigt, dass 70 Prozent der Steuersenkung auch tatsächlich an die Konsumenten weitergegeben worden seien, ganz anders als der derzeitige Tankrabatt.

"Die Mehrwertsteuerbefreiung auf Obst, Gemüse und Getreide ist sozial klug, ökonomisch vertretbar und kann schnell umgesetzt werden“. DIW-Chef Marcel Fratzscher im "Handelsblatt"

Auch der Sozialverband VdK und der Bundesverband der Verbraucherzentrale unterstützen Özdemirs Vorschlag. Die Chefin der Diabetes-Gesellschaft, Barbara Bitzer, sagt, eine gesunde Ernährung dürfe "keine Frage des Geldbeutels sein".

Das Umweltbundesamt plädierte ebenfalls für steuerliche Entlastungen - die sich aber nach ökologischem Nutzen richten sollten. Konkret sprach der Präsident der Behörde, Dirk Messner, vom öffentlichen Personenverkehr, pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Obst und Gemüse oder auch von Solaranlagen.

Und nun hat auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel gefordert. Diese würde "der bürgerlichen Mitte schnell und effektiv helfen", schrieb Söder am Samstag auf Facebook.

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Was spricht dagegen?

FDP-Fraktionschef Christian Dürr kritisierte schon vor Wochen in der "Neuen Osnabrücker Zeitung“, dass eine solche Steuersenkung keine Maßnahme sei, die gezielt Menschen mit geringen Einkommen entlaste. Anders als das DIW ist Dürr der Meinung, dass der reduzierte Mehrwertsteuersatz während der Pandemie sich in den Geldbeuteln kaum bemerkbar gemacht habe.

Außerdem - vielleicht etwas überraschend - ist sogar ein Wohlfahrtsverband gegen die Null-Prozent-Steuer auf Grundnahrungsmittel: Ulrich Schneider, Chef vom Wohlfahrtsverband "Der Paritätische", schreibt bei Twitter, dass dem Staat dann "die Mittel verloren gehen, um zielgerichtet und wirkungsvoll einkommensschwache Haushalte zu unterstützen und Armut zu bekämpfen."

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Auch Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sieht in der Streichung der Mehrwertsteuer keine Lösung. "Das Problem einer befristeten Senkung der Mehrwertsteuer liegt dann in der Bestimmung des richtigen Zeitpunktes der Wiederanhebung, den man nicht ex ante kennt", sagt er der "Rheinischen Post". Eine Absenkung der Mehrwertsteuer müsse man daher "gegebenenfalls als dauerhaft begreifen".

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