Steht NRW ab Herbst wieder kilometerlang im Stau?

Stand: 15.09.2020, 17:30 Uhr

"Endlose Staus" drohen, wenn ab Herbst womöglich wieder mehr Menschen mit dem Auto statt mit Bus und Bahn fahren. Das besagt eine aktuelle Studie zu den Auswirkungen der Corona-Zeit auf den Verkehr.

Von Claudia Wiggenbröker

Wenn das Wetter schlechter wird, wird es voller auf NRWs Autobahnen - das beobachtet das WDR-Verkehrsstudio jedes Jahr. Und 2020 könnte es noch gravierender werden als sonst: Seit Beginn der Corona-Pandemie sind viele Pendler von öffentlichen Verkehrsmitteln aufs Auto umgestiegen.

Das Auto erlebt "eine neue Renaissance als bequemes Verkehrsmittel, das subjektiv Sicherheit vor Ansteckung verspricht". Das schreibt die Denkfabrik "Agora Verkehrswende" in einer aktuellen Studie, an der auch der Deutsche Städtetag und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen mitgewirkt haben.

Weiter heißt es in der Studie: Wenn Bus und Bahn in den "kommenden witterungsunbeständigeren Monaten" nicht deutlich Fahrgäste zurückgewinnen, "drohen Städten endlose Staus". Dazu dürften zunehmend Menschen aus dem Home-Office zurückkehren an die Arbeitsplätze.

Laut WDR-Verkehrsstudio ist es bereits in den vergangenen drei Wochen trubeliger auf den Straßen geworden. Am vergangenen Freitag (11. September) war der vollste Tag seit Zeiten vor dem sogenannten Lockdown im März: Autofahrer in NRW standen auf insgesamt 350 Kilometern in 76 Staus.

Zum Vergleich: An Freitagen während der strengen Corona-Maßnahmen gab es praktisch keine Verkehrsprobleme. Am 27. März registrierte das WDR-Verkehrsstudio drei Staus mit einer Gesamtlänge von acht Kilometern, eine Woche später waren es acht Staus auf insgesamt 15 Kilometern. Am 29. Mai gab es schon wieder 36 Staus auf 209 Kilometern Länge. Im Juni, Juli und August lagen die Höchst-Staulängen zwischen 230 und 250 Kilometern.

Ist das Ansteckungsrisiko in der Bahn höher?

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) betonte am Dienstag, dass es "keinen Grund zur Panik" beim Bahnfahren gäbe - solange sich jeder an die Verhaltensregeln hält. Das Abstandhalten dürfte in vollen Zügen allerdings schwierig werden.

Ob das Ansteckungsrisiko generell höher ist, ist umstritten. Eine Studie aus China kommt zu dem Ergebnis, dass das Infektionsrisiko steigt, je näher ein Reisender an einem Infizierten sitzt.

Bahn-Studie: Keine erhöhte Corona-Gefahr

Auch laut der Agora-Studie ist die Zahl der Infektionen im öffentlichen Verkehr unauffällig. Sowohl das Robert Koch-Institut (RKI) als auch die "Österreichische Agentur für Gesundheit" (AGES) hätten keine Fallhäufungen feststellen können.

Um das Vertrauen der Fahrgäste zu stärken, hat die Bahn in der vergangenen Woche selbst eine Studie in Auftrag gegeben: Demnach gibt es beim Zugpersonal keine erhöhte Corona-Gefahr.

Verkehrsunternehmen müssen Vertrauen zurückgewinnen

Laut Agora-Studie müssen die Verkehrsunternehmen aber vor allem investieren, um Vertrauen zurückzugewinnen: in zusätzliches Personal, neue Fahrzeuge und in den Ausbau der Infrastruktur.

Bund, Länder und Kommunen müssten deshalb mit Sonderförderprogrammen unterstützen. Denn ein leistungsfähiger und sicherer ÖPNV sei gerade in Krisenzeiten essentiell - "sowohl für die Lebensqualität als auch für den Klimaschutz".