Kampf um Mariupol: Darum ist die Hafenstadt so wichtig für Russen und Ukrainer

Stand: 21.04.2022, 20:34 Uhr

Seit Wochen wird erbittert um Mariupol gekämpft. Dafür gibt es Gründe. Denn die Hafenstadt ist aus mehreren Gründen von Bedeutung.

Von Christian Wolf

Vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine konnten wohl die wenigsten hierzulande etwas mit Mariupol anfangen. Doch inzwischen ist die ukrainische Stadt zu trauriger Bekanntheit gelangt. Die Stadt liegt unter russischem Dauerbeschuss, Bilder zeigen eine massive Zerstörung, es ist von Tausenden Toten die Rede.

Am Donnerstag meldete Moskau, dass Mariupol angeblich unter russischer Kontrolle sei - nachdem es wochenlang heftige Kämpfe gegeben hatte und die Stadt eingekesselt worden war. Nur in einem Stahlwerk sind noch immer ukrainische Kämpfer und Zivilisten eingeschlossen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat das Militär angewiesen, das Werk nicht zu stürmen. Er forderte die Streitkräfte stattdessen auf, es zu blockieren, damit "nicht einmal eine Fliege durchkommt".

Der Sicherheitsexperte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck nennt es "wirklich nur eine Frage der Zeit", bis Mariupol gänzlich fällt. Doch warum wird überhaupt um Mariupol so erbittert gekämpft? Die Sicherheitsexpertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik spricht von einer "sehr großen Bedeutung".

Wirtschaftliche Bedeutung der Stadt

Zunächst ist es wichtig zu wissen, wo Mariupol liegt. Die Stadt mit ihren ehemals 440.000 Einwohnern befindet sich im Südosten der Ukraine am Asowschen Meer. Dieses grenzt über eine enge Wasserstraße an das Schwarze Meer. Mariupol ist somit eine Hafenstadt. Und als solche hat sie für die Ukraine eine wirtschaftliche Bedeutung.

Vor Beginn des russischen Angriffs exportierte das Land von Mariupol aus Eisen, Stahl, Getreide und Maschinen. Damit war die Stadt ein relevanter Einnahmefaktor für die Regierung in Kiew. Allein bei den Getreide-Exporten geht es um Milliarden. In der Stadt selbst sind große Eisenwerke und Stahlwalzbetriebe beheimatet.

Strategische Bedeutung von Mariupol

Hinzu kommt die strategische Bedeutung von Mariupol. Denn durch ihre Lage ist die Stadt für die Russen besonders interessant. Nach Osten hin ist es nicht weit bis zur russischen Grenze. Fährt man in Richtung Westen, gelangt man zur Krim. Die Halbinsel wurde 2014 von Russland annektiert. Mit der Einnahme von Mariupol kann Russland somit eine durchgehende Landverbindung zur Krim sichern.

Außerdem verliert die Ukraine damit den Zugang zum Asowschen Meer. Die Kontrolle über die restliche ukrainische Küste wurde bereits von den Russen übernommen. Mariupol ist also das letzte Puzzleteil, um das Land von diesem Meerzugang abzuschneiden.

Symbolische Bedeutung von Mariupol

Und dann ist das noch die "politisch-symbolische Bedeutung", wie es Sicherheitsexpertin Major bezeichnet. Denn durch die wochenlange russische Belagerung und den ukrainischen Widerstand ist die Stadt zu einem Symbol geworden. Sollten die Russen Mariupol komplett einnehmen, könnten sie zeigen: Wir haben es geschafft!

Auf einen anderen Aspekt weist Russland-Experte Mangott hin: "2015 war es den Ukrainern gelungen, diese von den Separatisten belagerte Stadt militärisch zu halten." Gemeint sind die damaligen Kämpfe im Donbass, als es zu der Gründung von zwei "Volksrepubliken" kam. Die Einnahme Mariupols gelang damals aber nicht. Jetzt könnte das auch innenpolitisch von Russland als Erfolg präsentiert werden.

Zudem dürfte die russische Propaganda einen Sieg in Mariupol als Etappenziel hin zur ausgerufenen "Entnazifizierung" der Ukraine feiern. Denn in der Stadt harren vor allem Soldaten des sogenannten Regiments Asow aus - eine rechtsgerichtete ukrainische Miliz, die Teil der Nationalgarde ist. Werden diese besiegt, dürfte das von Moskau entsprechend ausgenutzt werden.

Militärische Bedeutung von Mariupol

Auch aus militärischer Sicht hat Mariupol eine Bedeutung. Eine russische Einnahme wäre für die Ukraine ein "Rückschlag für die weitere Verteidigung", sagt Gustav Gressel, Sicherheitsexperte beim European Council of Foreign Relations. Bislang habe Mariupol viele russische Kräfte gebunden, da es für eine Eroberung eine sehr hohe Überlegenheit brauche. Diese freien Truppen könnten nun in den Donbass geschickt werden, um dort weiter anzugreifen. "Das ist natürlich für die Ukraine bitter."

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