G20-Gipfel: Wie sich Lawrow mit einem T-Shirt lächerlich gemacht hat

Stand: 16.11.2022, 08:33 Uhr

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat den G20-Gipfel in Indonesien am Dienstag vorzeitig verlassen - viele Stunden vor der Abschlusserklärung. Zurück von ihm bleibt ein bemerkenswertes PR-Desaster - besonders wegen eines T-Shirts.

Von Frank Menke

Nun ist er also weg. Mal wieder vorzeitig. Wie schon beim G20-Außenministertreffen im Juli hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag auch den G20-Gipfel der Staatschefs in Indonesien vor dem offiziellen Ende am Mittwoch verlassen. Dort hatte er Wladimir Putin vertreten, der laut Kreml aus Zeitgründen nicht nach Bali kommen konnte.

Nach Angaben des russischen Staatsfernsehens war Lawrows frühzeitige Abreise bereits im Vorfeld geplant gewesen. Ein Grund wurde nicht genannt. Dabei gäbe es einen sehr guten Grund. Und der hat noch nicht einmal etwas damit zu tun, dass die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in der Gipfel-Abschlusserklärung Russland wegen seines Angriffs auf die Ukraine scharf verurteilen könnten.

Foto im T-Shirt als Beleg für Gesundheit

Denn Lawrow hat sich mit einem Post seines eigenen Ministeriums lächerlich gemacht. Meldungen über einen Krankenhausaufenthalt des 72-jährigen Kreml-Hardliners zu Beginn des G20-Gipfels wurden gekontert mit einem Tweet, der ihn scheinbar putzmunter beim Aktenstudium auf einer Terrasse zeigte - in einem T-Shirt mit Krone und dem Schriftzug "Basquiat" sowie mit einem iPhone auf dem Tisch und einer Apple-Watch am linken Arm.

Die besondere Bedeutung von "Basquiat"

Was ihn dazu bewogen hat, dieses T-Shirt anzuziehen, ist unbekannt. Offensichtlich hat er aber den Schriftzug nicht verstanden. "Basquiat" ist kein Äquivalent zu Gucci, Armani oder Rolex, sondern der Nachname von Jean-Michel Basquiat. Der war der erste afroamerikanische Maler, der es zu Weltruhm brachte. Er stand für Antikolonialismus, Anti-Rassismus, lebte queer und starb 1988 im Alter von nur 27 Jahren an einer Überdosis Heroin.

Zielscheibe für Hohn und Spott

Das passt natürlich so gar nicht zur unerbittlichen Haltung Lawrows und des russischen Regimes in Sachen LGBT, dem eigenen Hegemoniebestreben wie gerade in der Ukraine und der angeblich dort notwendigen Beseitigung von Drogensüchtigen in der Regierung, wie es Putin ausdrückte.

Die Reaktionen auf die Selbstdarstellung Lawrows ließen denn auch nicht lange auf sich warten. In sozialen Medien wurde er zur Zielscheibe von Hohn und Spott.

Der britische Journalist und Historiker Dr. Ian Garner zum Beispiel merkte ironisch an: "Sergej Lawrow legt eine Pause von Russlands Krieg gegen die westliche Verdorbenheit ein, indem er ein Basquiat-T-Shirt anzieht. Es ist perfekt. Basquiat war ein queerer, antikolonialer schwarzer Künstler. Genau der Typ, der Sergejs Krieg lieben würde."

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Dazu passt ironischerweise ebenso perfekt, dass Lawrows Chef Putin gerade erst ein weiteres Dekret gegen sogenannte Homo-Propaganda erlassen hat, in dem er die Bedeutung "traditioneller Werte als Grundlage der russischen Gesellschaft" betonte.

Extra3: Minister auf Shopping-Tour

Für Irritationen sorgte natürlich auch, dass Lawrow sich mit Kommunikationsmitteln und Prestigeobjekten des von ihm verhassten Westens ausstaffierte: iPhone und Apple-Watch.

Sarkastisch nahm sich das ARD-Satiremagazin "Extra3" Lawrows an. "Russlands Außenminister Lawrow wurde nach seiner Ankunft auf Bali doch nicht ins Krankenhaus eingeliefert. Er war stattdessen shoppen, um sich mit westlichen Konsumgütern einzudecken", hieß es in dem entsprechenden Beitrag.

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Propaganda um jeden Preis

Auch wenn x-tausende Menschen sich in sozialen Medien ähnlich äußerten - zumindest in den Staaten, wo dies möglich ist: Beeinflussen werden die Reaktionen Putins Außenminister wohl kaum. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs verbreitete er wiederholt abstruse Propagandalügen.

Anfang Mai zum Beispiel sagte er dem italienischen Fernsehsender "Rete4", als Gegenargument zu Russlands Kriegsbegründung - also der Entnazifizierung der Ukraine - werde ins Feld geführt, der dortige Präsident Wolodymyr Selensky sei selbst Jude: "Ich kann mich irren. Aber Adolf Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemiten in der Regel Juden sind."

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 15.11.2022 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.