Eine Krankenschwester zieht den Impfstoff gegen das Coronavirus mit einer Spritze auf

Freiheiten für Geimpfte

Das nächste Überraschungs-Ei der Länder-Chefs

Stand: 03.05.2021, 17:16 Uhr

Mehr Freiheiten für Geimpfte sind ok, wenn die Impfreihenfolge strikt eingehalten wird! Ein Kommentar:

Von Wolfgang Otto

Landespolitik-Redakteur Wolfgang Otto

Wolfgang Otto, Redaktion Landespolitik

Was gilt denn gerade? Gefühlt jeden zweiten Tag stellt sich die Frage neu in diesen Corona-Zeiten. Man wird ja schon ganz schwindelig beim schnellen Hin und Her zwischen Schließen, Lockern und wieder Schließen. Daran ist vor allem das unberechenbare Virus schuld. Aber auch die Politiker.

Armin Laschet (CDU) zum Beispiel. In der vergangenen Woche hat er noch gesagt, Lockerungen für Geimpfte und Genesene sollten im bundesweiten Gleichschritt aller Länder beschlossen werden. Wenige Tage später – ja, heute - gilt genau das schon in NRW, was der Bund noch plant, trocken mitgeteilt am Samstag per Mail aus der Staatskanzlei. Wer geimpft oder genesen ist, muss keinen negativen Schnelltest mehr vorlegen, wenn er in den Friseursalon, den Zoo oder Shoppen will. Und nach und nach stellte dann das verdutzte Publikum fest: Fast alle anderen Bundesländer halten es genauso, setzen in Kraft, was in Berlin noch in der Gesetzgebungsmühle steckt.

Der sonst bestens informierte Karl Lauterbach geißelte munter den Früh-Start von Armin Laschet. Dabei waren seine SPD-Parteifreunde schon längst losgelaufen. Unter anderem Müller in Berlin, Dreyer in Rheinland-Pfalz und Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern. 

Nur damit ich nicht falsch verstanden werden: Ich bin absolut dafür, dass Geimpfte und Genesene ihre Freiheiten zurückbekommen, wann immer das medizinisch vertretbar ist. Und zwar so schnell wie möglich. Aber trotzdem muss das wenigstens ein paar Tage vorher angekündigt und gut begründet werden.

Überraschungsaktionen - wie diese jetzt wieder - erschüttern das Vertrauen in das Corona-Management. Eine Überrumpelungstaktik der Politiker gegenüber den Bürgern ist nie gut. Bei im Grunde begrüßenswerten Entscheidungen wird sie völlig absurd.

Unverständlich ist auch, warum die Frage nach Ausgangsperren und Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene auf die lange Bank geschoben wird. Wenn Geimpfte und Genesene keine Gefahr mehr für sich und andere darstellen, gibt es keinen Grund dafür, ihnen Freiheiten vorzuenthalten. Wer ohne Test in den Friseursalon darf, richtet wohl auch nachts auf der Straße keinen Schaden an.

Wahrscheinlich zögert die Politik mit den weiteren Schritten, weil dann sehr offensichtlich würde, was für ein Privileg es ist, schon geimpft zu sein. Und was für ein Nachteil es ist, wenn man es nicht ist. Es droht eine große Impf-Neiddebatte.

Impfreihenfolge bitte einhalten

Dagegen hilft meines Erachtens nicht die sofortige Freigabe des Impfstoffs für alle. Das Gegenteil ist nötig: Die Impfreihenfolge muss umso strikter eingehalten werden, je größer die Freiheiten sind für die Geimpften. Solange der Impfstoff knapp ist, muss für jeden nachvollziehbar sein, warum der geimpfte Nachbar schon feiern darf, während man selbst noch im Lockdown hockt. Schon der Verdacht, die Raffinierten, Schnellen, Skrupellosen und gut Vernetzten kämen schneller an den Stoff als andere, vergiftet das Klima. Über all das muss geredet werden und zwar vor einer Entscheidung und nicht erst danach. Soviel Zeit muss sein. Und die Zeit ist jetzt.