Schulgipfel im Kanzleramt: Dienstlaptops für Lehrer, Datenflat für Schüler

Stand: 22.09.2020, 12:00 Uhr

Manche Schulen scheinen noch Lichtjahre vom Digitalen Lernen entfernt, andere proben bereits den Videounterricht. NRW-Schulministerin Gebauer möchte nun die Leistung der Schüler und Schülerinnen im Homeschooling benoten.

Von Nina Magoley

SPD und Grüne hatte ihn seit Wochen gefordert, nun hat er stattgefunden: Der sogenannte Schulgipfel. Allerdings nicht in NRW, wo die beiden Oppositionsparteien im Landtag ihn haben wollten. Vielmehr hatte Bundeskanzlerin Merkel am Montagabend die 16 Schulministerinnen und -minister in Berlin zu Gast.

Um Digitalisierung und Hygieneregeln ging es vor allem. Beides Themen, zu denen NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) in den vergangenen Monaten immer wieder heftig kritisiert worden ist.

Jetzt soll nach dem Willen von Bund und Ländern die Digitalisierung wegen der Corona-Krise beschleunigt werden. Die 800.000 Lehrer in Deutschland sollen möglichst schnell ihre versprochenen Dienstlaptops bekommen. Außerdem sollen Schülerinenn und Schüler für zehn Euro im Monat eine Datenflat nutzen können - Kinder aus ärmeren Familien auch kostenlos. Der Verband Bildung und Erziehung kritisiert, bei dem Schultreffen habe es nur Absichtserklärungen gegeben und es gehe nicht schnell genug voran.

Die Coronakrise hatte in NRW deutlich gemacht, wie weit entfernt viele Schulen in ihrer Ausstattung noch von einer "Digitalisierung" sind, die Homeschooling überhaupt erst möglich macht. Während der Zeit der kompletten Schließungen war an einigen Schulen in NRW das Lernen praktisch völlig ausgefallen - wegen fehlender Infrastruktur.

"Das Geld muss an den Schulen ankommen"

Udo Beckmann, Vorsitzender der Landesgewerkschaft Bildung und Erziehung, ist im Gespräch im WDR5 Morgenecho eher skeptisch beim Blick auf die Ergebnisse des Schulgipfels. Im Vorfeld seien "große Hoffnungen geschürt" nun aber nicht erfüllt worden. Es sei gut, dass Gelder zur Verfügung gestellt würden - nun müsse aber auch dafür gesorgt werden, dass sie an den Schulen ankommen.

Außerdem müssten die Länder "sich endlich auf den Weg machen, für eine gescheite Fort-, Weiter- und Ausbildung der Lehrkräfte zu sorgen." Vieles scheitere aber daran, dass Schulleiter "auf dem Zahnfleisch" gingen, weil jeden Tag etwas Neues zu organisieren sei. Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer fühlten sich von der Politik alleingelassen. Und über allem schwebe der "riesige Personalmangel in den Schulen".

Nur fünf von 20 Kindern haben Internet zuhause

Wie zum Beispiel an der Gemeinschaftshauptschule in Köln-Bilderstöckchen. Dort hatte eine interne Umfrage ergeben, dass in einer 9. Klasse von 20 Kindern zuhause lediglich drei über einen Computer verfügten, gerade mal fünf hatten Internet. Während des Lockdowns sei so praktisch kein Lernen möglich gewesen, berichtet eine Lehrerin.

Schulministerin Gebauer zeigte sich im WDR-Interview optimistisch: Bezüglich der digitalen Ausstattung sei NRW "beim pädagogisch-didaktischen Teil gut vorbereitet", erklärte sie. Rund 350.000 Laptops will die Landesregierung zeitnah an Schüler verteilen.

"Chancengleichheit muss gewahrt bleiben"

NRW-Schülervertreterin Johanna Börgermann zeigt sich in der Aktuellen Stunde auch skeptisch. Unter anderem weist sie darauf hin, dass es nach dem Lockdown viel Stoff nachzuholen gibt, gleichzeitig aber auch gelernt werden muss, was jetzt eigentlich auf dem Lehrplan steht. Wenn einzelne Schüler einer Klasse in Quarantäne müssten, die anderen aber nicht, sei Chancengleichheit schwer zu garantieren.

Genau darauf käme es aber an. Oberste Priorität sollte sein, dass kein Schüler, keine Schülerin, Nachteile habe. Gleiche Regeln für alle. Die Ausstattung mit digitalen Endgeräten sei zwar wünschenswert. "Aber Digitalisierung ist nicht Alles."

Benotung für den Digital-Unterricht

"Wir haben das Lernen auf Distanz in einen rechtlichen Rahmen gegossen", sagt Gebauer. Der sehe auch vor, dass Lernen auf Distanz in Zukunft wie regulärer Päsenzunterricht benotet werden soll, "damit sowohl Lehrkräfte als auch Schüler wissen, welchen Einsatz sie bringen müssen". Das Ministerium habe eine "Handreichung" dazu erstellt mit "Praxisbeispielen, wie Lernen auf Distanz ausschauen kann".

"Wie soll das gehen?", fragt eine Lehrerin von der Kölner Hauptschule, die nicht mit Namen genannt werden möchte. Viele ihrer Schüler müssten überhaupt erst lernen, mit Lernprogrammen umzugehen. "Die Schere zwischen Bildung und Unbildung, zwischen arm und reich wird so immer größer."

Diese Befürchtung hat auch Sven Christoffer, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Lehrer NRW. Manche Schulen seien noch weit entfernt von einer digitalen Ausrüstung, während andere bereits Videokonferenzen mit ihren Klassen proben. Das "Rahmenkonzept" des Schulministeriums sei begrüßenswert, viele Fragen würden darin aber bis jetzt nicht beantwortet.

Schulen ungleich ausgestattet

Der Grund für solche Ungleichheiten bei der Ausstattung von Schulen und Schülern liege vor allem bei der Frage, "wieviel Geld der Schulträger in die Hand nimmt", sagt Christoffer. "Manchen Schulen fehlt das Personal, um Fördermittel rechtzeitig zu beantragen, während andere dafür eigene Kräfte einstellen."

Auch sei die Frage zu klären, wie sichergestellt werden soll, dass die Leistungen beim Distanzlernen auch tatsächlich von den Schülern und nicht etwa von helfenden Eltern erbracht werden. "Wie will man das prüfen?", fragt Christoffer. Das sei in der Verordnung bislang völlig ungeklärt. Bis zur Umsetzung des Digitalen Lernens, schätzt er, vergehe noch mindestens ein halbes Jahr.