Die unscharfe Rückenansicht einer Polizeianform vor einer Person, die ein Shirt mit einer Aufschrift in altdeutscher Schrift trägt

Rechte Gewalt laut Beratungsstellen auf Höchststand in NRW

Stand: 06.05.2025, 15:20 Uhr

Die Opferberatungen in NRW melden einen Anstieg rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in NRW.

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

Die Taten reichen von Körperverletzungen bis hin zu Brandanschlägen und Tötungsdelikten: 526 Angriffe auf insgesamt 728 Personen haben die Opferberatungsstellen in NRW im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit rechter, rassistischer, antisemitischer oder anderer menschenfeindlich motivierter Gewalt gezählt.

"Das ist ein Anstieg um 48 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und markiert einen neuen Höchststand", erklärt Sabrina Hosono von der Opferberatung Rheinland (OBR). Gemeinsam mit der Betroffenenberatung "Backup" stellte sie Dienstag die Jahresbilanz 2024 vor.

"Normalisierung rechter Gewalt"

Den Anstieg im Vergleich zum Vorjahr nannte Hosono dabei dramatisch: "Er steht für eine wachsende Enthemmung, für eine Normalisierung rechter Gewalt und für eine zunehmende Brutalisierung in der Wahl der Mittel", so Hosono.

Die dokumentierten Delikte umfassten unter anderem 93 gefährliche und 168 einfache Körperverletzungen, zwölf Brandstiftungen, drei Tötungsdelikte und vier versuchte Tötungen oder schwerste Körperverletzungen.

Steigerung im ländlichen Bereich

Beim Blick auf NRW müsse man feststellen, dass "fast alle Regionen bei den Fallzahlen zugelegt haben", ergänzte Thomas Billstein von der Beratungsstelle "Backup". Als Spitzenreiter mit mehr als 100 Prozent Zunahme nannte er Aachen, Essen, Solingen, Münster und Mönchengladbach. Allerdings sei auch im ländlichen und kleinstädtischen Raum ein Anstieg der Fälle zu verzeichnen. "Rechte Gewalt ist in der Breite der Gesellschaft zu verordnen", so seine Bilanz.

Unterschiedliche Zahlen von Behörden und Verbänden

Rechtsextremistische Gewalt diene der Einschüchterung von ausgemachten "Hassobjekten", heißt es im aktuellen Lagebild Rechtsextremismus des Landes NRW. "Die Gewalt gegen einige Wenige soll alle treffen", schreiben die Verfassungsschützer - und zählten fürs vergangene Jahr 154 Gewaltdelikte durch rechtsmotivierte Tatverdächtige.

Damit liegen die Zahlen der Betroffenenberatungsstellen mit 526 Fällen deutlich höher. "In unsere Statistik finden auch Fälle Eingang, die nicht zur Anzeige gebracht worden sind oder die von behördlicher Seite nicht als rechte Gewalttaten eingeordnet wurden", erklärte Fabian Reeker, Projektleiter der Opferberatung Rheinland die Diskrepanz. Dabei sprach er gar von einer "systematischen Verschleierung des realen Ausmaßes rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt".

Beratungsstellen suchen Kontakt zu Opfern

Seit 2017 veröffentlichen OBR und "Backup" einmal jährlich eine gemeinsame Jahresstatistik. Diese orientiert sich laut OBR-Projektleiter Reeker jeweils an dem bundeseinheitlichen Definitionssystem der politisch motivierten Kriminalität rechts. "Unsere Veröffentlichung geht jedoch dann nochmal um die spezifischen Erkenntnisse ergänzt, die wir als Beratungsstellen haben, auf Basis einer direkten Zusammenarbeit mit Betroffenen, mit Zeugen von Angriffen und mit zivilgesellschaftlichen Kooperationspartnern", so Reeker.

Die Beratung sei "proaktiv, aufsuchend und parteilich", betonte Reeker. Heißt: Die Beratungsstellen suchen auch aktiv nach Fällen und Kontakt zu Opfern, um ihre Beratung anzubieten. "Von über 300 Fällen rechter Gewalt haben die Beratungsstellen im Jahr 2024 nur durch parlamentarische Anfragen erfahren", bedauert Reeker. Er wünscht sich deshalb eine bessere Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden.

Das Land müsse zudem auch eine verlässliche Finanzierung der Opferberatungsstellen sicherstellen "sowie zivilgesellschaftliche Anlaufstellen strukturell stärken, die tagtäglich Demokratie und menschenfeindlichen Dynamiken entgegenwirken", so der OBR-Projektleiter.

Über dieses Thema berichten wir am Dienstag (06.05.) auch im WDR 5-Westblick ab 17.04 Uhr.

Unsere Quellen:

  • NRW-Lagebild Rechtsextremismus
  • Verfassungsschutzbericht 2024
  • Sabrina Hosono (OBR)
  • Fabian Reeker (OBR)
  • Thomas Billstein ("Backup")