Jules El-Khatib, Vorsitzender der Linken in Nordrhein-Westfalen

NRW-Linke stellt sich hinter Wagenknecht

Stand: 16.09.2022, 18:04 Uhr

Die Linke diskutiert weiter über die Rede Sahra Wagenknechts im Bundestag vor einer Woche. Viele fürchten eine Spaltung der Partei. Aber die NRW-Linke schlägt sich auf Wagenknechts Seite.

Von Niklas Schenk

Viele Mitglieder der Partei Die Linke sind aktuell der Verzweiflung nah. "Wir sind an einem absoluten Kipppunkt, es geht jetzt um alles" – so beschreibt ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Partei die aktuelle Lage. Dass sich das Wagenknecht-Lager vom Rest der Partei abspalte, sei mehr oder weniger klar, "die Frage ist nur wann".

Partei-Prominente ausgetreten

Ähnlich äußern sich in Hintergrundgesprächen weitere aktuelle und ehemalige Führungsmitglieder der Partei. Die linke Tageszeitung "taz" schreibt: "Es wird immer düsterer für die Linkspartei". Mit Ulrich Schneider und Fabio de Masi sind zwei der prominentesten Mitglieder in dieser Woche ausgetreten. Tausende haben einen Aufruf unterschrieben, in dem drei Linken-Mitglieder den Ausschluss Wagenknechts und den Rücktritt der Fraktionsspitze im Bundestag fordern.

"Positives Feedback" aus NRW für Wagenknechts Aussagen

Es rumort an allen Ecken und Enden. Nur bei der NRW-Linken nicht. "In unserem Landesverband hat die Wagenknecht-Rede gar nicht so große Debatten ausgelöst", sagt Landessprecher Jules El-Khatib. "Es gibt sicher unterschiedliche Meinungen, aber das positive Feedback überwiegt."

Wagenknecht hatte in der vergangenen Woche die Ampel-Koalition im Bundestag als "dümmste Regierung Europas" bezeichnet. Sie kritisierte die Regierung dafür, einen "beispiellosen Wirtschaftskrieg mit unserem wichtigsten Energielieferanten vom Zaun gebrochen" zu haben. Außerdem forderte sie Verhandlungen mit Russlands Präsident Putin, um russische Gas- und Öllieferungen nach Deutschland wieder möglich zu machen.

Wagenknecht spricht von "Wirtschaftskrieg" gegen Russland

Die Rede hatte für viel Kritik gesorgt. Ulrich Schneider, Soziallobbyist und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, trat aufgrund der Äußerungen Wagenknechts aus der Partei aus. "Dass die Linksfraktion Wagenknecht ans Podium ließ und was diese dann - man hätte es wissen müssen - vom Stapel ließ, war zu viel", twitterte Schneider.

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"Die russische Bevölkerung leidet, aber nicht die Führung"

NRW-Landessprecher El-Khatib bedauert den Austritt Schneiders zwar, sieht in der Rede aber "keinen Anlass zum Austritt". Manche Mitglieder des NRW-Landesverbandes hätten zwar kritisiert, dass Wagenknecht zu viel über wirtschaftliche Aspekte gesprochen hätte. Viele NRW-Linke würden Wagenknecht aber zustimmen.

El-Khatib pflichtete Wagenknecht bei ihrer Sanktionen gegen die verhängten Sanktionen gegen Russland bei: "Die aktuelle Sanktionspolitik schwächt Russlands Regierung nicht. Die russische Bevölkerung leidet, aber nicht die russische Führung."

Mit den Montagsdemonstrationen zu Energiepreisen habe die Partei laut El-Khatib kurz vor der Wagenknecht-Rede "große Erfolge" gefeiert. Dass es nun wieder so sehr um interne Debatten der Partei gehe, sei "nicht zufriedenstellend" und "nicht zielführend".

Debatten über eine Ab- und Aufspaltung der Linkspartei kämen "alle paar Jahre wieder auf". Er sehe aktuell keine Gefahr für eine Abspaltung des Wagenknecht-Lagers.

Neugebauer und Co. gehen von Spaltung aus

Genau das sehen viele aktuell aber ganz anders. Politikwissenschaftler Gero Neugebauer, der die Partei seit Jahren beobachtet, wollte gegenüber dem WDR eine Spaltung "nicht ausschließen".

Die "taz" schreibt: "Hinter den Kulissen arbeiten die Wagenknechtianer:innen längst an der Trennung". Der Plan, so berichteten es mehrere Gesprächspartner anonym auch dem WDR, soll wohl sein, mit einer eigenen Gruppierung 2024 bei der Europawahl anzutreten. Würde sich das Wagenknecht-Lager von der Bundestagsfraktion abspalten, würde die Linke im Bundestag ihren Fraktionsstatus verlieren und wäre nur noch eine Gruppe.

Der NRW-Landesverband der Linken wird in der Partei traditionell dem linken Lager zugeordnet. Mit 8.000 Mitgliedern ist es der größte Landesverband. Sechs der insgesamt 39 Bundestagsabgeordneten der Linken kommen von der NRW-Landesliste – sie werden mehrheitlich dem Wagenknecht-Lager zugeordnet.

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