„Wir sind ein Kraftzentrum.“ Das sagt Ministerpräsident Hendrik Wüst im WDR-Interview über die Bedeutung der NRW-CDU für die Gesamtpartei. War der Westen in der Vergangenheit Garant für viele Wählerstimmen für die SPD, ist er es nun für die Christdemokraten.
Schon beim letzten Mal 2021 seien fast 2,6 Millionen Stimmen für die Union aus NRW gekommen, etwas mehr als aus Bayern, sagt Wüst. Auch vom Personal her gebe NRW den Ton an, bestätigt Politikwissenschaftler Martin Florack vom Wissenschaftscampus NRW in Oberhausen: Spitzenkandidat Friedrich Merz, Generalsekretär Carsten Linnemann sowie viele andere Unions-Protagonisten kommen aus NRW. "Deshalb hat sich das Kraftzentrum der Union in den vergangenen Jahren ganz weit in den Westen verschoben", so Florack.
Große Unterstützung für Merz
Der Listen-Parteitag heute in Essen soll die große Unterstützung des Landesverbands für Kanzlerkandidat Merz signalisieren. Auch Wüst unterstreicht, Merz könne sich auf die NRW-CDU verlassen. Und auch Politologe Albrecht von Lucke, ist sich sicher, dass Wüst für Merz kämpfen wird: "Denn Friedrich Merz hat Probleme genug. Das, was gerade aus Bayern an Störfeuer kommt – innen- wie außenpolitisch – bringt zum Ausdruck: Wer solche Parteifreunde hat wie Markus Söder, der braucht eigentlich keine Parteifeinde."
Auf der Liste für die Bundestagswahl folgen auf Merz viele bekannte Namen: Linnemann, Jens Spahn, Wüsts Vorgänger Armin Laschet. Nummer Zwei auf der Liste ist Elisabeth Winkelmeier-Becker, Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Siegburg. Aus ihrer Sicht ist es ein großer Fortschritt, dass vier der ersten zehn Listenplätze von Frauen belegt sind: "Denn gemischte Teams führen zu besseren Ergebnissen."
Zieht die Liste überhaupt?
Die Landesliste sollte heute in der Essener Messe eigentlich ohne Überraschungen durchgewunken werden. Kampfkandidaturen sind nicht absehbar. Fraglich ist allerdings, ob die Liste den Platzierten am Ende überhaupt den Sprung in den Bundestag ermöglicht. Denn durch das neue Wahlrecht, das den Bundestag verschlanken soll, ergibt sich für die CDU in NRW ein Dilemma: Sollte sie extrem viele Wahlkreise über die Erststimme direkt gewinnen, stünden der Partei keine weiteren Sitze im Bundestag zu. Mehr noch: Selbst erfolgreiche Direktkandidaten könnten am Ende leer ausgehen.
Vorsprung kann schrumpfen
Dass das Ergebnis der CDU in NRW aber so gut wird, wie die aktuellen Umfragen es abbilden, sieht Politologe von Lucke keineswegs als sicher an. Der Vorsprung von Merz gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) könne noch ordentlich schrumpfen: "Markus Söder stellt ein Problem dar. Friedrich Merz ist eben nicht so unangefochten in der Union und auch die Positionen sind zunehmend uneinheitlich."
Das Bild der Geschlossenheit könnte also trügen, meinen Beobachter. Merz müsse es schaffen, beide Parteien der Union hinter sich zu einen. Zum Beispiel in der Diskussion über mögliche Koalitionspartner: Während NRW-Ministerpräsident Wüst die eigene schwarz-grüne Koalition in seinem Bundesland preist, arbeitet Söder eifrig daran eine derartige Verbindung auf Bundesebene nach den Erfahrungen der Ampel unmöglich zu machen.
Der Union stecke einfach die Erfahrung aus den Jahren 2020/21 noch in den Knochen, erinnert Politologe Florack: "Denn sie hat ja die letzte Bundestagswahl nicht gegen die SPD, sondern eigentlich gegen sich selber verloren. Sie hat ihre Kandidaten desavouiert, sie hat sich mit der CSU Scharmützel geliefert." Und allen in der Union sollte noch vor Augen stehen, "dass, wenn man sich diese Art von parteiinterner Schlammschlacht wieder leisten würde, das auch die Wahlchancen insgesamt minimieren könnte".
Unsere Quellen:
- eigene WDR-Recherche
- Interviews mit CDU-Politikern
- Interviews mit Politikwissenschaftlern