Der #wahlwatch-Faktencheck zur Wahlarena

Stand: 05.05.2017, 17:00 Uhr

In großer Runde diskutierten in der WDR-Wahlarena die Vertreter der Parteien für die Landtagswahl ihre Standpunkte. Hier einige der Aussagen im #wahlwatch-Faktencheck.

Es war eine ungewöhnlich große Runde: Die amtierende Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), der CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Laschet, die amtierende Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne), FDP-Chef Christian Lindner, der Vorsitzende der Piratenfraktion Michele Marsching, die Linke-Vorsitzende Özlem Alev Demirel und AfD-NRW-Chef Marcus Pretzell. Sie sind Spitzenkandidaten der sieben Parteien, die gute Chancen haben, im nächsten Landtag vertreten zu sein.

Thema Bürgerticket. Sylvia Löhrmann (Grüne) plädiert für ein 2-Euro-Bus-und Bahn-Ticket für ganz NRW und sagt: "Das haben wir schon durchgecheckt." Die Piratenfraktion hält das für Wahlkampf-Propaganda ohne zugrunde liegende Studien oder Berechnungen.

Der #wahlwatch-Faktencheck zeigt: Die Grünen haben tatsächlich weder Studien noch Berechnungen für ihre Idee. Das geben die Grünen auf #wahlwatch-Anfrage selbst zu. Zum gleichen Schluss kommt auch die Enquete-Kommission des Landtags, die sich mit Finanzierungsoptionen des ÖPNVs beschäftigt hat. Allerdings: Eine belastbare Berechnungsgrundlage für das ÖPNV-Modell der Piraten, das "Bürgerticket", hält die Enquete-Kommission auch für nicht durchführbar. Löhrmanns Behauptung ist also falsch.

Armin Laschet (CDU) sagt: Die Polizei in NRW sei dermaßen unterbesetzt, dass der Notruf 110 oft ins Leere ginge: "Da nimmt gar keiner ab." Zuvor hatte die CDU die Zahl der nicht beantworteten Notrufe sogar einmal auf "zehntausende" pro Jahr beziffert.

2016 gingen allein bei den Polizeibehörden Bochum und Recklinghausen rund 26.200 Notrufe ins Leere. Sie wurden nicht angenommen oder nicht weitergeleitet. Erfasst wurden Notrufe, bei denen Anrufer es mindestens fünf Sekunden klingeln ließen. Bezogen auf sämtliche Notrufe bedeutet das, dass in Bochum sieben und in Recklinghausen acht Prozent aller Notrufe über die 110 nicht beantwortet wurden. Laschets Aussage ist grundsätzlich also richtig.

Unklar ist jedoch, warum so viele Anrufe verloren gehen. Gründe könnten sein, dass die Technik in den Leitstellen veraltet ist oder dass es nicht genug Personal gibt, um alle Anrufe entgegen zu nehmen. Wie groß der jeweilige Anteil am Problem ist, lässt sich nicht sagen.

Hannelore Kraft (SPD) sagt, die rot-grüne Landesregierung habe mehr Polizisten eingestellt (derzeit 2.000 pro Jahr) als zuvor die CDU-geführte Landesregierung (1.000 Polizisten).

Nach einer Statistik der Gewerkschaft der Polizei wurden unter der schwarz-gelben Landesregierung bis 2011 jährlich 1.100 neue Polizeianwärter eingestellt. Derzeit liege die Zahl bei 1.920 pro Jahr, sagt die Gewerkschaft. Das hatte das NRW Innenministerium auf Anfrage von #wahlwatch zunächst auch bestätigt. Seit Anfang 2017, so stellte eine Sprecherin später klar, stelle das Land jährlich 2.000 junge Polizistinnen und Polizisten ein. Ob 1.920 oder 2.000 - das wären knapp oder genau doppelt so viele, wie unter der Vorgängerregierung. Krafts Aussage ist damit richtig.

Marcus Pretzell (AfD) äußert in Richtung des CDU-Vorsitzenden Laschet, dass der Berlin-Attentäter Anis Amri "aus Italien kommend, 2015 im Zuge der Merkelschen Grenzöffnung, der großen, von Ihnen damals bejubelten", eingereist sei.

Tatsächlich aber bestätigte Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann vor dem Innenausschuss des NRW-Landtags am 5. Januar dieses Jahres, dass Amri bereits im Sommer 2015 unerlaubt nach Deutschland einreiste: "Er wurde am 6. Juli 2015 von der Polizei in Freiburg aufgegriffen." Merkels Entscheidung für die Einreisegenehmigung erfolgte allerdings erst knapp zwei Monate später, am 4. September 2015. Pretzells Unterstellung ist also falsch.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagt: "Wir haben über 7.000 Lehrerstellen zusätzlich geschaffen seit 2010. Stellen, die auch besetzt worden sind."

Ganz genau sind 7.181 neue Lehrerstellen seit 2010 geschaffen worden. So steht es in den Haushaltsplänen der Landesregierung von 2010 und 2017. 6.000 davon sollen abfedern, dass es mehr Schüler gibt, als ursprünglich angenommen – vor allem wegen der Zuwanderung. Aber: Die meisten neuen Lehrerstellen sind bis 2020 befristet. Das Schulministerium schreibt: Bleiben die Schülerzahlen hoch, bleiben auch die Lehrer. Und: Im Februar 2017 waren 630 dieser Lehrerstellen nach Angaben des Schulministeriums noch unbesetzt. Krafts Aussage ist also nur halb wahr.

Hinweis: Wir haben den Absatz über Armin Laschet und die Notrufe um den Hinweis ergänzt, dass die Gründe für die verlorenen Notrufe nicht ganz klar sind.

Ihre Wahl 2017: Die Arena

WDR 04.05.2017 01:57:35 Std. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR