Ein Tag Wahlkampf mit Hannelore Kraft: Das ist ein Tag in der SPD-Filterblase. Ein Tag, an dem alles in roten Pastellfarben erstrahlt, und man nur "Der Martin" oder "Würselen" sagen muss – und schon klatschen alle glücklich in die Hände.
Eine Reise von Bergisch Gladbach bis Aachen
Die SPD-Landesvorsitzende hat eingeladen, sie einen Tag dabei zu beobachten, andere für die Sozialdemokratie zu begeistern. Es geht durchs Bergische Land und das rheinische Revier, von Bergisch Gladbach bis Aachen, in einem Bus, von dessen Seite eine überdimensionale Hannelore Kraft in die Landschaft strahlt.
Wahlkampf. Das kann die Landesmutter. Sie galt mal als amtsmüde, doch das scheint lange her zu sein. Wie die gesamte SPD strotzt Kraft vor Zuversicht. Bei den Menschen kommt das offensichtlich an.
Hände schütteln, Selfies machen
Erste Station: der Bergische Löwe in Bergisch Gladbach, ein Theater am Marktplatz, ockerrote Kachel-Optik, Café-Tische im Foyer. Kraft schwebt ein zum Bürgerfrühstück. Sie geht von Tisch zu Tisch, hört sich an, was die Leute zu sagen haben, schüttelt Hände, macht Selfies.
Viele der Anwesenden sind in der SPD, die Jusos haben eine Abordnung geschickt, eine Dame ist 51 Jahre in der Partei, ein 84-Jähriger tritt neu ein, und der örtliche Bundestagsabgeordnete hört gar nicht mehr auf, die eigene Vorsitzende zu loben. Heimspiel für Kraft.
Rentner und Schüler finden Kraft gut
Aber auch die meisten Nicht-Genossen finden die Ministerpräsidentin irgendwie gut. Das gilt für die Rentner an den Kaffee-Tischen wie für die Schülergruppe aus dem Ort. Kraft sei "cool und sympathisch", sagt Michaela Meurer. Sie wird am 14. Mai erstmals zur Wahl gehen.
"Ich mache gerne Wahlkampf", sagt Kraft später im Bus. Das glaubt man sofort. Es gibt im Laufe dieses Tages keinen einzigen Moment, der peinlich wirkt, gekünstelt oder verkrampft. Andere Politiker tun sich oft schwer bei diesen Gelegenheiten. Kraft nicht.
Sie brilliert in der Kunst des zugewandt-menschelnden Smalltalks. Sie berührt ihre Gesprächspartner gern, Frauen an der Schulter, Männer am Unterarm. Ihre Mitarbeiterin trägt ein Buch spazieren mit dem Titel: "Wie die SPD die Landtagswahl 2017 gewinnt“. Vermutlich steht da drin: Kontakt zu den Menschen suchen.
Der Tagebau Hambach sieht fast pittoresk aus
Also weiter, ins rheinische Revier. Eine Fahrt wie durchs sozialdemokratische Bilderbuchland. Die Sonne scheint, das Braunkohleloch von Hambach sieht im Gegenlicht beinahe pittoresk aus. Am Rand der gewaltigen Grube steht trotzig der Hambacher Forst, um den es so viel Streit gibt.
Der örtliche SPD-Landtagsabgeordnete Guido van den Berg sagt, dass ohnehin nur ein Rest des Waldes übrig sei. Und in Zukunft gebe es statt der monströsen Grube einen wunderschönen See hier. So in 50 Jahren. Liegestühle haben sie schon jetzt an der Abbruchkante stehen. Glück auf.
Die Kids führen sie ins Indianerzelt
Hannelore Kraft lässt sich derweil im virtuellen Kraftwerk nebenan die Energie von morgen erklären. Später sagt sie, jetzt schon auf Braunkohle verzichten zu wollen, sei "plemplem".
Der Hannelore-Bus rollt über die A4 weiter nach Düren. Besuch im Bewegungskindergarten der Arbeiterwohlfahrt. Die Kinder zeigen der Landesmutter ihre Tänze, und Kraft beweist, dass ihr selbst bei den Jüngsten nicht die Gesprächsthemen ausgehen. Bereitwillig wird sie von den Kids in deren Indianerzelt geführt.
Wahlkampfschlager kostenlose Kita
Am Ende des Tages wird Kraft auf ihren Kindergartenbesuch noch zurückkommen. Sie sitzt mit vier Abgeordneten aus dem Landtag auf einem Podium im Aachener Hotel Quellenhof. Es geht um dies und das, aber vor allem geht es um Bildung – und eben die Kindergärten.
Die SPD will die Kitas in einer Kernzeit kostenlos machen. Sie sollen auch besser werden und flexibler öffnen. Das kostet viel Geld, ist aber ein Wahlkampfschlager, was spätestens nach diesem Tag feststeht.
Was hat das alles mit der SPD zu tun?
Kraft erzählt den Leuten von ihrem Besuch im Bewegungskindergarten von Düren. Die anderen Genossen berichten von ihren eigenen Erfahrungen bei Besuchen in Kitas und offenen Ganztagsschulen. So richtig klar wird allerdings nicht, was das alles mit der SPD zu tun haben soll. Die Politiker wollen wohl zeigen, dass sie nah dran sind an den Menschen.
"Tatkraft" heißen diese Politiker-Einsätze im wahren Leben. Besuche in der Wirklichkeit – oder das, was die SPD dafür hält. Ein pastellroter Tag in der Filterblase.