Im Wahlkampf haben CDU und FDP für sich selbst gekämpft. Nun wollen sie versuchen, eine Koalition einzugehen. Ab Dienstag (23.05.2017) sollen die Verhandlungen beginnen - grünes Licht wollen die Parteigremien am Montag geben. Doch was wollen beide Parteien eigentlich? Ein Blick in die Forderungen aus den Wahlprogrammen zeigt, wo Einigkeit herrscht und wo es haken könnte.
Innere Sicheheit
CDU: Bis zu 2.300 neue Polizisten sollen jährlich ausgebildet werden. Zur Kriminalitätsbekämpfung soll die Schleierfahndung (verdachtsunabhängige Personenkontrollen) eingeführt werden. Die Videoüberwachung will man ausweiten und auch automatische Gesichtserkennung erlauben. Mit Polizeiverwaltungsassistenten sollen die Polizeibeamten von Bürokratie entlastet werden. Den Blitz-Marathon soll es nicht mehr geben.
FDP: Es wird mehr Personal bei der Polizei gefordert - unter anderem in Form eines Sofortprogramms mit 4.500 zusätzlichen Polizisten bis 2022. Zur Kriminalitätsbekämpfung soll es "Schwerpunktkontrollen, eine spürbare Kontrolldichte und gezielte Fahndung" geben. Für die Videoüberwachung werden enge Grenzen verlangt. Mit Assistenzkräften sollen Polizisten entlastet werden. Den Blitz-Marathon soll es nicht mehr geben.
Bilanz: Die Stoßrichtung lautet: mehr Polizei, bessere Ausrüstung und gezieltere Maßnahmen. In Sachen Schleierfahndung und Videoüberwachung sind CDU und FDP aber uneins. Umso überraschender ist es, dass FDP-Chef Christian Lindner bereits gesagt hat, bei der Kriminalitätsbekämpfung gebe es keine "unüberwindlichen Hürden". Lindner beruft sich auf Experten, wonach erst der Fahndungsdruck auf bekannte Verdächtige erhöht werden müsse, bevor es verdachtsunabhängige Kontrollen gibt. Ein Hintertürchen ist also geöffnet.
Flüchtlingspolitik
CDU: Den Kommunen sollen "alle notwendigen kommunalen Flüchtlingskosten" erstattet werden. Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive oder aus sicheren Herkunftsländern sollen nicht mehr den Kommunen zugeordnet werden - damit diese sich auf die Integration anerkannter Flüchtlinge konzentrieren können. Abschiebungen sollen zentral vom Land und nicht mehr von den Kommunen gesteuert werden.
FDP: Schon in den Landeseinrichtungen soll in beschleunigten Verfahren über Asylsuchende mit geringer Bleibeperspektive entschieden werden. Vom Bund und vom Land sollen die Voraussetzungen für schnelle Abschiebungen von kriminellen Nordafrikanern geschaffen werden. An mehreren Stellen wird ein modernes Einwanderungsgesetz gefordert.
Bilanz: Ein konsequentes Vorgehen gegen Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive und gute Integration für anerkannte Asylsuchende - in dieser Formel können sich beide Seiten wiederfinden. Lindner wird den Themenbereich aber nutzen, um Punkte in der Bundespolitik zu machen - schließlich hält er die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel für falsch. "Der Punkt, wo am meisten gestritten werden würde, ist die Auswirkung der Flüchtlingspolitik von Frau Merkel und inwieweit von Nordrhein-Westfalen ein Impuls zur Korrektur auf der Bundesebene ausgehen kann", kündigte Lindner an. Das Thema Einwanderungsgesetz ist ebenfalls ein bundespolitisches Thema.
Schulpolitik
CDU: Laut Wahlprogramm sollen die Schulen selber entscheiden, ob sie das Abitur nach acht oder neun Jahren anbieten. Der Unterrichtsausfall soll mit "schulscharfer, digitaler Erfassung" analysiert werden. Schließungen von Förderschulen soll es "bis auf weiteres" nicht mehr geben. Die Inklusion soll dadurch gelingen, dass Schwerpunktschulen für Kinder mit und ohne Behinderung benannt werden.
FDP: Bei den Liberalen klingt das ganz ähnlich. Auch sie wollen die Schulen entscheiden lassen. Neben einer kompletten Rückkehr zu G9 können sie sich aber auch beide Modelle parallel vorstellen. Eine "schulscharfe Erfassung" des Unterrichtsausfalls ist ebenfalls gewollt. Die "massive, zum Teil flächendeckende Schließung von Förderschulen" wird abgelehnt. Es soll ebenfalls mit Schwerpunktschulen zur Inklusion gearbeitet werden.
Bilanz: Grundlegende Differenzen scheint es im Schulbereich nicht zu geben. Ein Kompromiss ist aber bei der Frage nötig, ob Schulen zwischen G8 und G9 wählen oder beides anbieten können.
Hochschulen
CDU: Im Programm hat man sich gegen Studiengebühren ausgesprochen. Eine Hochschulentwicklungskommission soll die Lage an den Unis evaluieren. Es soll wieder mehr Freiheit für die Hochschulen geben, auch in Sachen Kooperation mit der Wirtschaft. Das rot-grüne Hochschulgesetz soll evaluiert werden.
FDP: Den Hochschulen soll es überlassen sein, ob sie "Studienverträge" mit den Studenten abschließen. Denen sollen darin "exzellente Studienbedingungen" zugesichert werden. Im Gegenzug sollen die Studenten nach dem Studium prozentual zum Einkommen "Erfolgsprämien" zahlen - maximal 500 Euro. Das von Rot-Grün abgeschaffte Hochschulfreiheitsgesetz soll wieder in Kraft treten.
Bilanz: Die Grundtendenz ist gleich: mehr Freiheit für die Unis. Über den genauen Weg dorthin müssen sich CDU und FDP noch verständigen. Zwar betrachtet Lindner das Thema Studiengebühren nicht als "ideologisches Projekt". Ziel sei es, die Qualität an den Unis zu verbessern. Sollte es aber nicht auf anderen Wegen mehr Geld geben, wird die FDP die Rückkehr zu den Studiengebühren verlangen.
Wirtschaft und Energie
CDU: Das Tariftreue- und Vergabegesetz von Rot-Grün soll abgeschafft werden. Landesentwicklungsplan und Naturschutzgesetz sollen so geändert werden, dass Industrie- und Gewerbeflächen wieder leichter entstehen können. Mehr verkaufsoffene Sonntage als die bislang vier pro Jahr soll es nicht geben. Die Leitentscheidung von Rot-Grün zum Braunkohletagebau Garzweiler II hält man zwar für falsch, zur Planungssicherheit soll aber nicht am Enddatum 2045 gerüttelt werden. Beim Ausbau der Windenergie soll auf die "größtmögliche Zustimmung und Akzeptanz" bei Anwohnern und Kommunen gesorgt werden. Klimaschutzgesetz und Klimaschutzplan will die CDU abschaffen.
FDP: Zum Bürokratieabbau spricht sich die Partei gegen das Tariftreue- und Vergabegesetz, die Hygieneampel sowie die Dokumentationspflichten durch das Mindestlohngesetz aus. Das Verkaufsverbot für den Einzelhandel an Sonntagen soll aufgehoben werden. Der Landesentwicklungsplans wird infrage gestellt und das Naturschutzgesetz in seiner jetzigen Form abgelehnt. Für den Braunkohleabbau heißt es, dass dieser weiterhin möglich bleiben soll. Es ist von einer "Begrenzung des Ausbaus der Windenergie" die Rede, durch Mindestabstände von Anlagen zur Wohnbebauung. Das Klimaschutzgesetz will man außer Kraft setzen.
Bilanz: In diesem Bereich wird sich alles darum drehen, wie wirtschaftsfreundlich ein schwarz-gelbes Bündnis sein will. Etliche rot-grüne Vorhaben sollen abgewickelt werden, da sind sich beide einig. Das Thema verkaufsoffene Sonntage zeigt aber, dass die FDP deutlich weiter gehen will als die CDU. Drum sagte Linder auch: "In der Wirtschaftspolitik sehe ich die größten Hürden." Ob die wirklich so groß sind, bezweifeln Beobachter aber. Das von ihm in diesem Zusammenhang genannte Klimaschutzgesetz lehnen zum Beispiel beide ab.