Ergebnisse und Reaktionen: Koalition aus CDU und Grünen hätte satte Mehrheit

Stand: 16.05.2022, 11:25 Uhr

Die CDU in Feierlaune: Sie ist die stärkste Kraft bei der Landtagswahl geworden. Die Grünen haben deutlich zugelegt. SPD und FDP verzeichnen Stimmeneinbußen. Möglich wäre ein schwarz-grünes Regierungsbündnis, aber auch eine Koalition von SPD, Grünen und FDP.

Stand: 16.05.2022, 03:46 Uhr | Angaben in Prozent | Quelle: Landeswahlleiter
CDU SPD FDP AfD Grüne Linke Andere
35.7 26.7 5.9 5.4 18.2 2.1 6.1

Die CDU hat die Landtagswahl in NRW klar für sich entscheiden können. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommen die Christdemokraten auf 35,7 Prozent der Stimmen. Das sind 2,7 Prozentpunkte mehr als bei der Wahl vor fünf Jahren. Die SPD liegt mit 26,7 Prozent (minus 4,5 Prozentpunkte) deutlich dahinter und verbucht ihr historisch schlechtestes Landtagswahlergebnis in NRW.

Grüne verdreifachen Ergebnis - Koalition mit CDU möglich

Die Grünen haben ihr Ergebnis verdreifacht und kommen laut vorläufigem amtlichen Endergebnis auf 18,2 Prozent (plus 11,8 Prozentpunkte). Eine schwarz-grüne Koalition hätte damit eine satte Mehrheit. Die Sozialdemokraten könnten aber trotzdem versuchen, eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP zu schmieden.

Grüne als Königsmacher

"Mir gefällt, dass es uns gelungen ist, einen wahnsinnigen Vertrauensvorschuss von den Menschen in NRW zu kriegen", sagte Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur am Montagmorgen dem WDR.

Ihre Partei hat sich nun in die Rolle der Königsmacherin katapultiert. Zur Frage nach einer Koalition gab sich Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur am Wahlabend aber noch bedeckt: "Wir beraten in unseren Parteigremien und machen einem kleinen Parteitag Vorschläge."

Für die CDU spreche, dass sie deutlich gewonnen habe und "moderner ist, als sie noch vor wenigen Jahren hier in Nordrhein-Westfalen war", so Neubaur in den ARD-"Tagesthemen". Einer möglichen Koalition stehen aber noch harte Verhandlungen bevor, so Neubaur zum WDR:

"Die Menschen, die Unternehmen, die Wirtschaft sind fünf Schritte weiter als die aktuelle Landesregierung. Und dafür werden wir hart verhandeln, dass es da die richtigen Entscheidungen gibt, in einer nächsten Regierung endlich auf der Höhe der Zeit zu sein." Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur

Erstmals Direktmandate für Grüne

Erstmals errangen die Grünen in Nordrhein-Westfalen bei einer Landtagswahl Direktmandate. Nach vorläufigem Endergebnis holten sie sieben Wahlkreise: Aachen I, Köln I, Köln II, Köln III, Köln VI, Münster II und Münster III/Coesfeld III. Im letztgenannten Wahlkreis war es ziemlich knapp: Mit nur 163 Stimmen Unterschied setzte sich Dorothea Deppermann gegen Julian Allendorf (CDU) durch. Erstmals zu einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen angetreten waren die Grünen 1980.

Massive Verluste für die FDP

Die FDP büßte massiv Stimmen ein und erzielt nur noch 5,9 Prozent (minus 6,7 Prozentpunkte). FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp sprach angesichts der Verluste von einem "bitteren Abend für die Liberalen".

Am Montagmorgen äußerte er gegenüber dem WDR, wie enttäuscht er über den Koalitionspartner CDU im Wahlkampf ist. "Wir haben uns zu sehr auf eine kameradschaftliche Zusammenarbeit verlassen. Da sind wir jetzt bitter für bestraft worden." Auf die Frage nach den Chancen einer Koalition aus SPD, Grünen und FDP sagte er:

"Die Frage stellt sich nicht, es wird jetzt Schwarz-Grün." FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp

Die AfD, die vor fünf Jahren in den Landtag einzog, kommt auf 5,4 Prozent (minus 1,9 Prozentpunkte). Der AfD-Spitzenkandidat Markus Wagner sagte zum Wiedereinzug seiner Partei in den Düsseldorfer Landtag: "Wir sind gekommen, um zu bleiben." Die Linke verbucht laut vorläufigem amtlichen Endergebnis 2,1 Prozent (minus 2,8 Prozentpunkte) der Stimmen und scheitert damit erneut an der Fünfprozenthürde.

Gewinner und Verlierer der Landtagswahl in NRW

Wie haben bekannte NRW-Kandidaten bei der Landtagswahl abgeschnitten? Hier gibt es die vorläufigen Endergebnisse aus den Wahlkreisen.

AfD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl Markus Wagner

Geschafft: Die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Markus Wagner hat laut vorläufigem Endergebnis mit 5,4 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag geschafft - und das, obwohl die Bundespartei ein Bild der Zerstrittenheit bietet.

Geschafft: Die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Markus Wagner hat laut vorläufigem Endergebnis mit 5,4 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag geschafft - und das, obwohl die Bundespartei ein Bild der Zerstrittenheit bietet.

Trendwende: Karl-Josef Laumann (CDU) hat seinem Konkurrenten von der SPD den Wahlkreis Steinfurt III abgenommen. Der NRW-Gesundheitsminister kam auf 43,9 Prozent der Stimmen - ein leichtes Plus im Vergleich zur letzten Wahl. SPD-Mann Olaf Sunderman musste ein Minus von 8,7 Prozent hinnehmen, so das vorläufige Endergebnis.

Reaktionen der Spitzenkandidaten von Wüst und Kutschaty

CDU-Spitzenkandidat und Ministerpräsident Hendrik Wüst machte am Montagmorgen gegenüber dem WDR klar, dass er sich eine Koalition mit den Grünen gut vorstellen kann:

"Es gibt zwei klare Wahlsieger, das eine ist meine Partei, mit dem Auftrag eine Regierung anzuführen - das andere sind natürlich die Grünen, die ihr Ergebnis fast verdreifacht haben. Da haben die Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen ein klares Wort gesprochen, wie sie es denn in Zukunft sehen möchten." CDU-Spitzenkandidat Hendrik Wüst

Sein Herausforderer von der SPD, Thomas Kutschaty, sagte am Montag dem WDR: "Die Grünen sind jetzt gefragt, es gibt viele Schnittmengen zwischen den Grünen und der SPD, ich glaube auch, mehr als mit der Union." Es sei nichts Außergewöhnliches, dass CDU und Grüne erstmal miteinander sprechen. "Da muss man jetzt mal sehen, wie die Gespräche laufen."

"Wir jedenfalls stehen auch bereit für Gespräche." SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte im ZDF-Morgenmagazin am Montag, Wüst könne nur eine Mehrheit mit Parteien bekommen, die in den letzten fünf Jahren in der Opposition zu ihm gestanden hätten. Er müsse jetzt erklären, inwieweit er bereit sei, seine Politik zu verändern.

So sieht die Sitzverteilung im Düsseldorfer Landtag aus

Die Sitzverteilung im Düsseldorfer Landtag sieht laut vorläufigem amtlichen Endergebnis so aus: Insgesamt gibt es 195 Sitze. Für die absolute Mehrheit sind also mindestens 96 Sitze erforderlich.

Die CDU bekommt nach dem vorläufigen Endergebnis 76 Sitze, die SPD 56, die Grünen 39 und FDP und AfD jeweils 12. Eine Koalition aus CDU und Grünen käme zusammen auf 115 Sitze. Möglich wäre auch ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP - es käme auf 107 Sitze. Eine Große Koalition aus CDU und SPD wäre mit 132 Sitzen zwar rechnerisch möglich, gilt aber als ausgeschlossen.

Sitzverteilung im NRW-Landtag: Insgesamt 195 Sitze. Die CDU bekommt 76 Sitze, die SPD 56, die Grünen 39 und FDP und AfD jeweils 12.

Wohin die Wählerstimmen wanderten

Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verliert die SPD 300.000 Stimmen an Nichtwähler, 260.000 Stimmen an die Grünen und 40.000 Stimmen an die CDU. Zugleich profitiert sie von 60.000 Stimmen aus dem FDP-Lager. Die Union selbst verliert 160.000 Stimmen an Nichtwähler und 140.000 an die Grünen.

Die Grünen profitieren neben Wählerstimmen aus den Lagern von SPD und CDU unter anderem von 100.000 Stimmen aus dem Lager der FDP. Die AfD profitierte von 10.000 Stimmen aus dem Lager der FDP, verlor aber 20.000 Stimmen an die CDU und 160.000 Stimmen an Nichtwähler. Die FDP verlor die meisten Stimmen an die CDU - nämlich 250.000.

Wahlanalyse in Zahlen: Wer wanderte wohin?

Wohin sind die Wählerinnen und Wähler der FDP gewandert? Und wie stark war der Kandidatenfaktor von CDU-Spitzenkandidat Hendrik Wüst? Der Blick in die Zahlen verrät interessante Details.

Was kommt nach Schwarz-Gelb? Nach dem Absturz der FDP bei der Landtagswahl scheinen die Zeichen in NRW auf Schwarz-Grün zu stehen. Beide Parteien hätten zusammen eine stabile Mehrheit im Landtag - und offenbar auch die Unterstützung ihrer Wähler. 51 Prozent der CDU-Wähler und 47 Prozent der Grünen-Wähler fänden eine gemeinsame Koalition gut. Vor einer Woche in Schleswig-Holstein war die Zustimmung der Grünen noch größer.

Dass die CDU in NRW wieder stärkste Kraft werden könnte, hatte sich schon vorher abgezeichnet. In einer Befragung von Infratest dimap waren 48 Prozent der Befragten mit der Arbeit von Hendrik Wüst und 46 Prozent mit der Arbeit seines Innenministers Herbert Reul zufrieden. Mit der Spitzenkandidatin der NRW-Grünen waren zwar nur 22 Prozent zufrieden - den Grünen verhalf aber offenbar Rückenwind aus Berlin zu ihrem historisch bestem Ergebnis.

Denn mit der Arbeit von Annalena Baerbock und Robert Habeck in Berlin sind 67 bzw. 64 Prozent der Befragten zufrieden. Erst danach folgt mit 50 Prozent Kanzler Olaf Scholz.

Aber warum hat die FDP in NRW so dramatisch verloren? Offenbar war die Übernahme des Schulministeriums nach der letzten Wahl ein schwer kalkulierbares Risiko. 66 Prozent der Befragten finden: "Das FDP-geführte Schulministerium hat in der Corona-Pandemie versagt."

Die meisten ehemaligen FDP-Wählerinnen und -Wähler (genau: 260.000) sind zur CDU gewandert. FDP-Chef Stamp hat wohl nicht zu Unrecht beklagt, dass die CDU im Wahlkampf wenig Rücksicht auf die Liberalen genommen hat. Einen großen Teil hat die FDP aber auch an die Grünen und an die Nihctwähler verloren. 20.000 ehemalige FDP-Wählerinnen und Wähler haben ihr Kreuz bei der AfD gemacht.

Die CDU hat ihren Wahlsieg vor allem den älteren Wählerinnen und Wählern zu verdanken. In der Gruppe der über 70-Jährigen liegt der Anteil der CDU-Wählerinnen und -Wähler sogar bei 50 Prozent. Hinzu kommt: Die Wahlbeteiligung der Älteren ist höher als bei den Jüngeren.

Auch die SPD kann eher bei den älteren Wählerinnen und Wählern punkten. Allerdings zeigt sich hier das Mobilisierungsproblem der SPD: Bei den über 60-Jährigen erzielte die SPD nur gut 30 Prozentpunkte.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich dagegen bei den Grünen. Ihre Wählerinnen und Wähler sind eher jung. Den größten Anteil von 28 Prozent erreicht die Partei bei den 18-24-Jährigen.

Bei diesen jungen Wählern kann auch die FDP punkten, allerdings nicht im gleichen Maße wie die Grünen.

Die Wählerinnen und Wähler der AfD sind eher im mittleren Alter. Ihren größten Stimmenanteil von 8 Prozent erreicht sie bei den 35-44-Jährigen.

Der Kandidatenfaktor sagt aus, wie groß der Kandidat die jeweilige Wahlentscheidung beeinflusst hat. Bei der CDU hat jede dritte Wählerin bzw. jeder dritte Wähler das Kreuz gemacht, um den Spitzenkandidaten Hendrik Wüst zu unterstützen.

Zum Vergleich: Der Kandidatenfaktor bei Joachim Stamp liegt nur bei 9. Christian Lindner kam bei der Landtagswahl 2012 noch auf einen Wert von 31.

Vorläufiges Endergebnis bedeutet Rückenstärkung für Bundes-CDU

Die Wahl mit knapp 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland war die dritte und wichtigste von vier Landtagswahlen in Deutschland in diesem Jahr. Vor einer Woche hatte die CDU die Wahl in Schleswig-Holstein gewonnen, Ende März die SPD im Saarland triumphiert. Im Oktober wird auch in Niedersachsen gewählt.

Wahlbeteiligung deutlich geringer als vor fünf Jahren

Die Wahlbeteiligung lag nach Auszählung aller Wahlkreise bei 55,5 Prozent - ein historisch niedriges Ergebnis. 2017 hatte die Wahlbeteiligung bei 65,2 Prozent gelegen. 29 Parteien waren zur Landtagswahl 2022 angetreten, 1.375 Personen hatten sich um ein Landtagsmandat beworben. Wahlberechtigt waren rund 13 Millionen Menschen, darunter etwa 786.000 Erstwähler.

Der WDR berichtet am Montag in zahlreichen Sendungen in Hörfunk und Fernsehen über die Ergebnisse und Folgen der Landtagswahl in NRW. So in allen Ausgaben von WDR aktuell im WDR Fernsehen um 12.45 Uhr, 16.00 Uhr, 18.00 Uhr und 21.45 Uhr. Außerdem in der "Aktuellen Stunde" um 18.45 Uhr. Um 20.15 Uhr wird ein WDR extra ausgestrahlt. Im Hörfunk thematisiert unter anderem WDR 5 die Landtagswahl im Tagesgespräch um 12.10 Uhr, in einem WDR 5 spezial um 13 Uhr, im Westblick um 17.04 Uhr sowie im Echo des Tages um 18.30 Uhr.

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