Nach Schleswig-Holstein: Warum die Wahl in NRW eine ganz andere ist

Stand: 09.05.2022, 14:48 Uhr

Die Wahl in Schleswig-Holstein wirkt sich auch auf NRW aus: Die einen spüren Rückenwind, die anderen bestreiten Parallelen. Doch wie sehr lassen sich überhaupt Rückschlüsse ziehen?

Von Christian WolfChristian Wolf

So manch ein CDU-Anhänger wird sich am Sonntagabend klammheimlich gewünscht haben: Können wir die Uhr nicht einfach eine Woche vordrehen?! Aus Sicht der Wahlkämpfer in NRW sicherlich ein schöner Gedanke. Denn dann hätte die CDU hierzulande einen fulminanten Sieg errungen und die SPD deklassiert. Kleiner Haken an der Sache: Was in Schleswig-Holstein passiert ist, wird sich in dem Ausmaß am kommenden Wochenende in NRW wohl nicht wiederholen. Dafür sind die Bedingungen zu unterschiedlich.

Mal Rückenwind, mal andere Ausgangslage

Doch trotzdem steht die Frage im Raum, ob und wie sich die Wahl in Schleswig-Holstein auf den Wahlkampfendspurt in NRW auswirkt. Von allen Seiten wird am Tag danach natürlich versucht, die eigene Interpretation unter's Wahlvolk zu bringen. So reklamiert CDU-Mann Hendrik Wüst nach dem Wahlsieg seines Parteifreundes Daniel Günther Rückenwind für sich. "Die Volkspartei CDU ist voll da", sagte er am Montagmorgen in Berlin. Passend dazu traf Wüst zusammen mit Günther zu den Sitzungen der CDU-Spitze ein, um ein paar schöne Bilder mit dem strahlenden Wahlsieger zu produzieren.

Während die CDU also bemüht ist, eine möglichst große Nähe zwischen Schleswig-Holstein im hohen Norden und Nordrhein-Westfalen im tiefen Westen herzustellen, arbeitet die SPD genau am Gegenteil. Dort wird versucht, die größtmögliche Distanz aufzubauen. So sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Montagmorgen im ARD-Morgenmagazin: "Jetzt kommt Nordrhein-Westfalen. Da ist die Ausgangslage eine komplett andere."

Ist das wirklich so? Dafür lohnt sich ein Blick in die Umfragezahlen. Und da zeigt sich, dass all zu viele Parallelen zwischen den beiden Bundesländern nicht vorhanden sind. Ein paar Beispiele:

Die Umfrageergebnisse vor der Wahl

Schon in den Tagen vor der Abstimmung in Schleswig-Holstein deutete sich ein ungefährdeter Sieg der CDU ab. Die Werte in der letzten Umfrage von infratest dimap waren mit 38 Prozent doppelt so hoch wie die für die SPD (19 Prozent). Es schien also klar zu sein, dass die CDU gewinnen würde. Alles drehte sich nur noch um die Frage, mit wem die CDU künftig in Kiel regieren werde.

Ein Blick auf die letzte NRW-Umfrage zeigt ein ganz anderes Bild: Hier deutet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Die CDU lag vergangene Woche bei 30 Prozent, die SPD knapp dahinter bei 28 Prozent. Das Rennen um den ersten Platz erscheint hierzulande also offen.

Der Bonus des Amtsinhabers

Hier zeigt sich ein großer Unterschied zwischen Schleswig-Holstein und NRW. In Kiel konnte sich Ministerpräsident Günther fünf Jahre lang einen Namen machen. Das war für Wüst in NRW nicht möglich. Erst im vergangenen Herbst übernahm er das Amt von Armin Laschet. Seitdem wurde alles versucht, den "Neuen" bekannt zu machen. Geholfen hat sicherlich der Zufall, dass Wüst als Chef der Ministerpräsidentenkonferenz bei den Corona-Terminen im Kanzleramt dabei war. Doch mit einem langfristig aufgebauten Amtsbonus wie Günther geht er kommenden Sonntag nicht ins Rennen.

Bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten gaben vergangene Woche bei infratest dimap 39 Prozent an, dass sie für Wüst stimmen würden. Zu Herausforderer Kutschaty sagten das 33 Prozent. Zum Vergleich die Werte aus Schleswig-Holstein: Dort hätten 61 Prozent Günther direkt gewählt, seinen SPD-Herausforderer nur neun Prozent.

Die Partei, die regieren soll

Noch größer ist der Unterschied bei der Frage, welche Partei die nächste Landesregierung führen soll. Dort lag die CDU kurz vor der Wahl in Schleswig-Holstein weit vor der SPD und den Grünen. In NRW ist die Ausgangslage ganz anders. Hier gaben vergangene Woche 41 an, dass die SPD die nächste Landesregierung führen solle. Über die CDU sagten das 36 Prozent. Die Grünen wurden für NRW nicht abgefragt.

Die Zufriedenheit mit der Landesregierung

Und auch die Meinung über die Landesregierungen in Kiel und Düsseldorf gehen auseinander. In Schleswig-Holstein waren 75 Prozent mit der Jamaika-Koalition von CDU, FDP und Grünen zufrieden und nur 22 Prozent nicht. In NRW kommt die schwarz-gelbe Landesregierung auf 50 Prozent Zufriedenheit und 46 Prozent Ablehnung.

Nordrhein-Westfalen ist nicht Schleswig-Holstein

Es zeigt sich also: Nordrhein-Westfalen ist nicht Schleswig-Holstein. Die Ausgangslage hierzulande ist eine ganz andere. Natürlich hoffen die Wahlkämpfer der CDU nun darauf, dass die Schlagzeilen aus Kiel ihnen ein bisschen helfen - und sei es nur, die eigenen Leute noch ein bisschen mehr zu motivieren. Gute Stimmung schadet im Wahlkampfendspurt jedenfalls nie. Andersherum wird die SPD darauf setzen, die Schmach von Schleswig-Holstein so schnell wie möglich abzuschütteln und eine Art Brandmauer an der Landesgrenze zu NRW zu errichten.

Genau dieses Muster ist auch bei den kleineren Parteien zu beobachten. So sagte Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur am Montag mit Blick auf das gute Abschneiden in Schleswig-Holstein: "Für uns ist das natürlich motivierend." Die FDP musste hingegen große Verluste einstecken. Dementsprechend der Verweis von Parteichef Christian Lindner, in Nordrhein-Westfalen sei die Lage anders: "Wir haben dort nicht einen vergleichbar populären Ministerpräsidenten wie Daniel Günther in Schleswig-Holstein. Und in Nordrhein-Westfalen geht es sehr stark um die Koalitionsfrage."

Über dieses Thema haben wir am 09.05.2022 in WDR aktuell im WDR Fernsehen berichtet.