Bundeskanzler Scholz im WDR-Interview: "Es geht um das, was wir wirklich tun"

Stand: 12.05.2022, 16:49 Uhr

Kurz vor der Landtagswahl in NRW zeigt sich Bundeskanzler Scholz von einem SPD-Erfolg überzeugt. Bezüglich des Ukraine-Kriegs verteidigt er seinen Kommunikationsstil. Das WDR-Exklusivinterview.

WDR: Guten Tag Herr Scholz, hallo nach Berlin!

Bundeskanzler Olaf Scholz: Guten Tag!

WDR: Heute Morgen haben Sie mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj telefoniert. Ihre Außenministerin Annalena Baerbock war gerade in der Ukraine, in Kiew. Was muss passieren, dass Sie auch hinfahren?

Scholz: Wir haben uns ja vor allem über das unterhalten, worum es wirklich geht, nämlich Solidarität für die Ukraine. Sie wissen, dass wir weitreichende Entscheidungen getroffen haben. Als ich kurz nach Kriegsbeginn im Deutschen Bundestag gesprochen habe, habe ich gesagt: Wir werden Waffen in die Ukraine liefern. Wir werden die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr stärken, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aufbauen.

Und daran entlang haben wir bisher gehandelt, mit sehr viel Unterstützung für die Ukraine. Finanziell, humanitär, aber eben auch, was die Unterstützung mit Verteidigungswaffen, mit Waffen betrifft.

Das übrigens hat dazu beigetragen, zusammen mit den Aktivitäten aller unser Verbündeter, dass die Ukraine jetzt schon sehr lange Widerstand leisten kann. Dass der Angriff auf Kiew, den Russland zunächst begonnen hatte, nicht funktioniert hat. Und jetzt geht es eben um die Auseinandersetzung im Osten der Ukraine. Was wir nicht vergessen dürfen: brutal, mit großer, großer Brutalität von Russland geführt.

WDR: Bei alldem geht es auch um Kommunikation. Die Außenministerin wird dafür gelobt, wie sie spricht und erklärt. Auch ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck steht dafür. Beide sind von den Grünen. Und wenn Sie sich im Wahlkampf bei uns in NRW umhören, zahlt das massiv auf die Grünen ein – und die SPD hat keinen vergleichbaren Effekt. Beneiden Sie das?

Scholz: Ich glaube, die SPD hat gerade einen sehr guten Effekt. Sie wird den nächsten Ministerpräsidenten stellen. Und ich bin sehr sicher, dass der Schwung, den ich überall in dem Wahlkampf spüre, sich auch im Wahlergebnis niederschlagen wird. Und deshalb nochmal sehr klar:

Die von mir geführte Bundesregierung verfolgt einen sehr präzisen Kurs.

Das habe ich deutlich gemacht zuletzt in der Fernsehansprache, die überall gesehen werden konnte, in der Rede im Deutschen Bundestag unmittelbar nach Kriegsausbruch, in vielen, vielen Interviews. Und es geht nicht nur um diese Reden. Es geht ja auch ausdrücklich um das, was wir wirklich tun.

Und dafür zu sorgen, dass wir einig handeln in den Staaten, die die Demokratie repräsentieren als wirtschaftsstarke Nationen - G7, wo Deutschland, die Präsidentschaft hat, dass wir das im Rahmen der Nato tun, dass wir das als Europäische Union tun. Das ist eine ganz, ganz große Aufgabe, die - wie ich finde - sehr gut gelungen ist. Denn Putin hat sich verrechnet. Es ist nicht gelungen, was er vorhatte: Dass alle durcheinander handeln. Sondern wir handeln einig und geschlossen. Und diese Geschlossenheit und Einigkeit hilft.

WDR: Trotzdem haben die Menschen Sorgen, das spüren wir auch hier in NRW. Sie haben gesagt, Sie haben das klar kommuniziert. Aber bei vielen Leuten kommt das immer noch nicht ganz so klar an. Die sind unsicher, verstehen Sie nicht immer ganz. Macht Sie das nicht nachdenklich?

Scholz: Ich glaube, die Bürger und Bürgerinnen verstehen mich ganz gut. Insbesondere, weil sie die Klarheit der Aussagen auch schätzen, nämlich zum Beispiel die klare Aussage, egal wer wie laut ruft, ob nun aus dem Medienmilieu oder anderswo in der Politik, wir immer eindeutig der Linie folgen, dass es keine Beteiligung der Nato an diesem Krieg geben wird.

Wir unterstützen die Ukraine. Aber unser Kurs ist: Wir werden auch nicht Kriegspartei werden.

Und wir haben sehr sorgfältig dafür gesorgt, dass wir keine deutschen Alleingänge geschehen lassen, sondern dass wir immer verbündet bleiben mit denjenigen, mit denen wir verbündet sind. Sie werden sehen, dass das, was wir machen, genau das ist, was zum Beispiel so ähnlich die USA machen, oder Frankreich, Spanien, Großbritannien. Das ist ein gutes Zeichen. Und wir sorgen dafür, dass diejenigen in Europa, die noch über russische Waffen verfügen, diese auch liefern können, indem wir sie dabei unterstützen, dass sie das machen können.

WDR: Nochmal zurück zu NRW: Das ist eine kleine Bundestagswahl, die ansteht. Was heißt das für Sie als Kanzler, wenn das schlecht ausgeht?

Scholz: Erstmal bin ich ziemlich zuversichtlich, dass es gut ausgeht. Darum engagiere ich mich auch in dem Wahlkampf. Und ehrlicherweise geht es doch auch darum, dass man sich nicht verdrückt, sondern sich stellt und mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Das machen wir. Und wir haben etwas vorzuweisen. Im Übrigen hat die nordrhein-westfälische SPD und hat ihr Spitzenkandidat ein wirklich gutes Programm für Nordrhein-Westfalen.

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Es geht darum, dass wir das besser hinkriegen, was an den Schulen und in den Kitas geschieht. Wie wir dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen erhalten bleiben. Auch wenn wir gleichzeitig mit großem Tempo die Veränderungen durchführen wollen, die notwendig sind, damit wir klimaneutral wirtschaften können. Und es geht natürlich auch immer darum, dass das Leben bezahlbar bleibt. Zum Beispiel, indem der vernachlässigte Wohnungsbau neue Bedeutung bekommt und auch bezahlbare Wohnungen in großer Zahl in Nordrhein-Westfalen entstehen. Wichtige Themen, die den Bürgerinnen und Bürgern auch wichtig sind.

WDR: : Zur Landtagswahl wollen wir von Ihnen noch ein paar NRW-Sätze vervollständigt hören. Thema Karneval: Wenn ich als Hanseat zur einer Karnevalssitzung gezwungen werde, dann gehe ich als ...?

Scholz: Das weiß ich nicht, als was ich gehe. Aber Sie haben die Sache schon richtig hingekriegt: Das ist für jemanden, der in Hamburg aufgewachsen ist, eine große Herausforderung.

WDR: Zweiter Satz: Wenn ich an NRW denke – bei was geht Ihnen direkt das Herz auf?

Scholz: Mir geht das Herz auf, wenn man sieht, wie sehr es gelungen ist, über viele Jahrzehnte für das zu sorgen, was Willy Brandt einmal den blauen Himmel über der Ruhr genannt hat. Ein Industrieland, das seine Veränderung hingekriegt hat. Wo es jetzt auch wieder saubere Flüsse und saubere Luft gibt.

Und das ist der Ansporn für die Zukunft, wenn wir dafür sorgen wollen, dass wir eine klimaneutrale Industrie haben, wo Stahl produziert wird, wo es Chemieindustrie gibt, wo es das gibt, was mit der Energieproduktion geschehen muss – aber klimaneutral. Eine große Aufgabe für die Industriepolitik.

WDR: Letzte Frage: Irgendwann werden Sie wieder Zeit für einen Kurzurlaub haben – dann natürlich in NRW. Lieber Wellnesstag mit Friedrich Merz im Sauerland? Oder auf die Jagd mit Hobbyjäger Hendrik Wüst im Münsterland?

Scholz: Oje, ich glaube, dass ich kein Jäger bin, und deshalb würde ich dann in diesem Fall mal den Wellnesstag wählen.

WDR: Mit Herrn Merz?

Das haben Sie mir als einzige Alternative angeboten. (lacht)

WDR: ... sagt der Bundeskanzler Olaf Scholz - vielen Dank Ihnen, Grüße nach Berlin.

Scholz: Schönen Dank!

Das Interview führten Catherine Vogel und Michael Dietz.

Wir zeigten das Interview mit Bundeskanzler Scholz am 12. Mai 2022 im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde ab 18.45 Uhr.