CDU-Chef Merz im WDR-Interview: "Nicht selbstverständlich, dass die CDU vorn liegt"

Stand: 13.05.2022, 17:51 Uhr

Kurz vor der Landtagswahl in NRW ist CDU-Chef Friedrich Merz zuversichtlich, dass Ministerpräsident Wüst (CDU) das Rennen macht: "Es knirscht in der Ampel." Das sei "Rückenwind" für die Union. Ein WDR-Exklusivinterview.

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WDR: Herr Merz, vor dieser "kleinen Bundestagswahl" rumort es immer wieder in der Ampel. Großes Beispiel: der Ukraine-Krieg, schwere Waffen - ja, nein, vielleicht. Eigentlich muss das doch ein leichtes Spiel werden für die CDU. Alles andere wäre doch eine Riesen-Enttäuschung.

Friedrich Merz: Wir leben in einer sehr schwierigen Zeit und deswegen ist "leichtes Spiel" ein Wort, dass ich nicht so aussprechen würde. Dieser Krieg bestimmt im Augenblick sehr viel, fast alles. Aber Sie haben Recht mit ihrer Beschreibung: Es knirscht in der Ampel. Und das wird sicherlich der CDU in Nordrhein-Westfalen noch einmal Rückenwind geben.

Aber auf dem Prüfstand steht am Sonntag die Leistungsbilanz der Regierung von Hendrik Wüst. Und ich finde, die kann sich sehen lassen. Und dafür hoffe ich auf eine große Zustimmung der Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen zu sehen.

WDR: Aber es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD. Was hat der SPD-Herausforderer Kutschaty richtig gemacht, dass es doch noch so eng ist?

Merz: Naja, in Nordrhein-Westfalen ist es ja nicht selbstverständlich, dass die CDU vorn liegt. Wir liegen aber vorn - im Augenblick - und die SPD liegt deutlich hinter der CDU. Das ist eine Momentaufnahme der letzten Umfragen. Ob das dann auch am Wahlsonntag von der Wählerinnen und Wählern so bestätigt wird, ist eine offene Frage. Und deshalb ist die Beschreibung richtig: Kopf an Kopf - aber die CDU liegt vorn.

WDR: Es sieht alles danach aus, dass die Grünen vielleicht zum Königsmacher in Nordrhein-Westfalen werden. Schwarz-Grün - ist das eine Sache, von der sie sagen: Meinen Segen, den habt ihr?

Merz: Wir kämpfen in solchen Wahlkämpfen - das ist eine triviale Aussage, aber sie stimmt trotzdem - zunächst einmal für uns allein. Auch die CDU in Nordrhein-Westfalen kämpft für sich und für die Mannschaft mit Hendrik Wüst. Und man muss danach sehen - absolute Mehrheiten sind heutzutage sehr unwahrscheinlich, nicht völlig ausgeschlossen aber sehr unwahrscheinlich, in Nordrhein-Westfalen würde ich sagen: ausgeschlossen - muss man sehen, mit wem eine Regierung möglich ist.

Die CDU hat nach meinem Empfinden in Nordrhein-Westfalen mit der FDP sehr erfolgreich regiert. Reicht es dafür? Möglicherweise nicht. Reichen andere Konstellationen? Darüber muss man dann reden.

WDR: Passt denn Schwarz-Grün generell zu den Vorstellungen von Friedrich Merz? Egal ob im Bund oder Land?

Merz: Was heißt: Passt das zu den Vorstellungen von Friedrich Merz? Zunächst einmal muss das den Vorstellungen der zukünftigen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und den Herausforderungen des Landes entsprechen. Ich hätte selbstverständlich nichts dagegen, aber es kommt auf den Inhalt einer solchen Koalition an. Es stehen gerade in Nordrhein-Westfalen große Aufgaben bevor.

Nehmen Sie nur das ganze Thema Transformation hin zur CO2-Neutralität. Das ist in keinem Land so sensibel und so Arbeitsplatz-intensiv wie in Nordrhein-Westfalen. Da wird es sehr darauf ankommen, dass man die richtigen Schwerpunkte setzt, damit das Ganze mit Augenmaß und Zielstrebigkeit zugleich geht. Wenn das passt, dann passt es. Aber darüber wird man reden müssen. Und dann kommt es natürlich auch auf die Gewichte in so einer Koalition an. Je stärker die CDU dabei ist, umso besser ist es auch für den Erhalt der Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen.

WDR: Gerade hat Daniel Günther in Schleswig-Holstein einen Wahnsinns-Sieg eingefahren. Und Wüst könnte in NRW gewinnen. Ist das die nahe Zukunft der CDU? Diese beiden Männer? Obwohl die beiden ja nicht als ihre "best buddys" in der Partei gelten?

Merz: Also die letzte Aussage - die lasse ich mal so stehen. Wir verstehen uns untereinander ausgesprochen gut. Ich bin in Schleswig-Holstein gewesen und habe dort den Wahlkampf unterstützt. Ich bin viel in Nordrhein-Westfalen unterwegs, auch heute und morgen nochmal. Und ich habe Hendrik Wüst immer sehr unterstützt und er mich.

Also wir sind schon eine Mannschaft, aber wir sind nur ein Teil der Mannschaft. Es müssen natürlich noch andere dazukommen. Und mein Thema, unser gemeinsames Thema ist: Wir brauchen auch wieder sehr viel mehr Frauen in der Verantwortung. Und da arbeiten wir gemeinsam dran.

WDR: Heißt das: Einer von den beiden wäre auch ein gute Kanzlerkandidat in naher Zukunft? Wenn Sie keine Frau gefunden haben?

Merz: (lacht) Also - war einen Versuch wert. Aber die Frage stellt sich heute nun wirklich nicht. Wir machen unsere Arbeit. Überall da, wo wir gewählt sind und in den Aufgaben stehen. Ich mach sie hier in Berlin, Daniel Günther macht sie in Schleswig-Holstein, Hendrik Wüst macht sie in Nordrhein-Westfalen - hoffentlich weiter, auch in der nächsten Woche. Darauf konzentrieren wir uns. Und wir spekulieren nicht über zukünftige Wahlen, die noch gar nicht stattfinden.

WDR: Eines haben sie drei aber gemeinsam: eine schicke, schwarze Brille. Damit kommen wir zu unserer kleinen Abschlussrunde. Bitte vervollständigen Sie jetzt noch ein paar Sätze. Meine stylische neue Brille macht mich ..?

Merz: Ist nicht schwarz, sondern blau und macht mich in den Augen vieler Beobachter, die mir geschrieben haben, offensichtlich etwas jünger. Und darüber freue ich mich.

WDR: Wenn ich in Berlin bin, vermisse ich an Nordrhein-Westfalen am meisten ...?

Merz: Die Natur, die Landschaft und den Arnsberger Wald.

WDR: Lieber eine Runde Joggen mit Olaf Scholz? Oder ein feministischer Workshop mit Annalena Baerbock?

Merz: (lacht) Da würde ich antworten, lieber Joggen mit Annalena Baerbock.

WDR: Aber Sie sind Feminist?

Merz: Nein, ich jogge gerne. Und darauf freue ich mich am Wochenende auch.

WDR: Aber warum mit Annalena Baerbock? Und nicht mit dem Kanzler?

Merz: Das ist meine Antwort.

WDR: Der Kanzler hat gestern gesagt, er würde lieber mit Ihnen einen Wellness-Tag im Sauerland machen.

Merz: Dann ist er herzlich eingeladen. Ich weiß auch schon, wo es hingeht. Ins Schmallenberger Sauerland, eines der schönsten Teile des Landes Nordrhein-Westfalen.

WDR: Aber haben Sie keine Sorge, dass heute die Nachricht kommt? Ich habe gefragt: Sind Sie Feminist? Sie sagen nein?

Merz: Ich habe gesagt: Wenn ich diese Wahl habe, die Sie mir gerade gestellt haben, dann entscheide ich mich für Joggen mit Annalena Baerbock.

WDR: Vielen Dank, Friedrich Merz, für Ihre Zeit und für das Gespräch.

Merz: Ich danke Ihnen. Viele Grüße.

Das Interview führten Catherine Vogel und Michael Dietz.

Wir zeigten das Interview mit Friedrich Merz am 13. Mai 2022 im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde ab 18.45 Uhr.