Schwarz-Grün in NRW steht: CDU und Grüne präsentieren Koalitionsvertrag

Stand: 23.06.2022, 19:11 Uhr

Fünfeinhalb Wochen nach der Landtagswahl ist die neue Koalition in NRW fertig. CDU und Grüne haben ihre Verhandlungen in der Nacht abgeschlossen. Am Donnerstag wurde der Koalitionsvertrag vorgestellt.

Von Christian Wolf

Wochenlang haben CDU und Grüne hinter verschlossenen Türen an der Bildung einer neuen Koalition für NRW gearbeitet. Nach draußen gedrungen ist dabei fast nichts. Doch am Donnerstag war es nun endlich so weit: Die Ergebnisse wurden präsentiert, nachdem in der Nacht zuvor die Verhandlungen erfolgreich zu Ende gegangen waren. Damit steht fest: In NRW wird es demnächst eine schwarz-grüne Regierung geben.

Bei der Vorstellung des 146 Seiten langen Vertragstextes wurde schnell deutlich, worum es den beiden neuen Partnern geht. So war viel von "Zukunft" und "Vertrauen" die Rede, das in den Gesprächen entstanden sei. Da CDU und Grüne noch nie zusammengearbeitet haben in NRW und eher aus unterschiedlichen Lagern kommen, war der Hinweis auf die angeblich gute Zusammenarbeit nicht unwichtig. Das Signal: Das funktioniert mit uns!

Wüst verspricht mehr Klimaschutz und eine nachhaltige Wirtschaft

Hendrik Wüst und Mona Neubaur bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages

Hendrik Wüst und Mona Neubaur bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages

Ob das wirklich so ist, wird sich in den kommenden fünf Jahren zeigen. CDU-Chef Hendrik Wüst sagte jedenfalls optimistisch: "Das Fundament für eine erfolgreiche Arbeit für NRW auch in den nächsten fünf Jahren ist gelegt." Es sei in den Koalitionsverhandlungen gelungen, "vermeintliche Gegensätze zu versöhnen, um etwas Gutes zu schaffen". Die beiden Parteien eine ein gemeinsamer Kompass: mehr Klimaschutz, nachhaltige Wirtschaft, zukunftsfähige Infrastruktur, Investitionen in Bildung und solide Finanzen.

Grünen-Chefin Mona Neubaur sagte, man wolle NRW "sozial gerechter, ökologischer, digitaler und wirtschaftlich stärker" machen. Das Land solle die erste "klimaneutrale Industrieregion" in Europa werden. Insgesamt bezeichnete sie den Koalitionsvertrag als "inhaltliches Fundament, das uns fünf Jahre tragen kann".

Mehr Lehrer und Polizisten für NRW

Doch was haben sich die beiden neuen Partner vorgenommen? Konkret steht im Koalitionsvertrag:

  • An Schulen soll es 10.000 zusätzliche Lehrkräfte geben und zudem noch pädagogisches Zusatzpersonal.
  • Bei der Polizei soll die Zahl der jährlichen Neueinstellungen von bislang 2.700 auf 3.000 erhöht werden.
  • Der ÖPNV soll ausgebaut werden. Bis 2030 will Schwarz-Grün ein 60 Prozent höheres Angebot an Bussen und Bahnen ermöglichen.
  • In den kommenden fünf Jahren sollen mindestens 1.000 zusätzliche Windkraftanlagen entstehen. Bei privaten Neubauten soll ab 2025 eine Solarpflicht gelten.
  • Als Ziel für den Kohleausstieg wird das Jahr 2030 genannt.

Aus den Reihen von CDU und Grünen kamen am Donnerstag nur wohlwollende Reaktionen auf den Koalitionsvertrag. Aus den Reihen der künftigen Opposition hörte sich das natürlich anders an. So wählte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty den Begriff "Besserverdiener-Koalition" und sein FDP-Kollege Hennig Höne sprach von einem "Stillstands-Paket". Auch zahlreiche Verbände reagierten auf das Vertragswerk.

Hier eine Übersicht der Reaktionen:

Sieben Ministerien für CDU, vier für Grüne

Wie das neue Ministerkabinett aussieht, ist noch unklar. Die personelle Besetzung wird wohl erst in den kommenden Tagen bekannt gegeben. Allerdings steht die Anzahl der zu vergebenen Ministerien schon fest: Die CDU erhält sieben Häuser, die Grünen vier. Zusätzlich bekommt die CDU noch einen achten Ministerposten, der aber beim Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei angesiedelt ist. Neubaur nannte für ihre Partei auch schon den Zuschnitt der grünen Ministerien:

  • Wirtschaft, Industrie, Klima und Energie
  • Verkehr, Umwelt und Natur
  • Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration
  • Justiz

Für die CDU ließ Wüst den inhaltlichen Zuschnitt der sieben Ministerien trotz Nachfrage noch offen. Klar ist nur: Unter CDU-Regie stehen die Themen Finanzen, Arbeit, Gesundheit, Soziales, Inneres, Landwirtschaft und Forsten, Verbraucherschutz und ländliche Räume, Heimat, Bau, Wissenschaft, Kommunales, Kultur, Schule, Digitalisierung, Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Sport.

Schwarz-Grün in NRW: Wer auf der Regierungsbank sitzen könnte

Acht Ministerposten für die CDU und vier für die Grünen - so wird die künftige Landesregierung zusammengesetzt sein. Am Mittwoch wird das Kabinett im Landtag vereidigt und zum ersten Mal auf der Regierungsbank Platz nehmen. Ein paar Namen sind schon bekannt.

Seine Rolle steht fest, alles andere als eine Wiederwahl von Hendrik Wüst (CDU) wäre eine Sensation. Denn CDU und Grüne haben zusammen eine satte Mehrheit von 18 Stimmen. Am Dienstag stellt er sich zur Wahl.

Sie wird stellvertretende Ministerpräsidentin: Mona Neubaur. Als Spitzenkandidatin hat sie den Wahlkampf der Grünen angeführt und auch die Koalitionsverhandlungen geleitet. Neubaur wird das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klima und Energie übernehmen.

Josefine Paul ist bisher Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag. Sie kümmert sich seit 2017 um die Themen Kinder, Jugend und Familie und Gleichstellung. Passend dazu wird sie nun das Ministerium für Kinder, Jugend und Familie, Gleichstellung, Integration und Flucht leiten.

Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr übernimmt Oliver Krischer. Der Grüne-Bundestagsabgeordnete ist bislang Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und wechselt nun nach Düsseldorf.

Benjamin Limbach wird neuer nordrhein-westfälischer Justizminister. Der Volljurist ist derzeit noch Präsident der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Der Sohn der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, ist eine Überraschung. Regierungserfahrung hat er bislang nicht.

Bei der CDU wird der bisherige Innenminister Herbert Reul, wie man hört, voraussichtlich weiterhin für die Innere Sicherheit zuständig sein. Reul war als oberster Dienstherr der Polizei beliebt und im Wahlkampf eines der Zugpferde der CDU.

Karl-Josef Laumann stand als Gesundheitsminister während der Pandemie im Rampenlicht. Auch er gilt als gesetzt für das schwarz-grüne Kabinett.

Ina Brandes übernahm im Herbst 2021 das Verkehrsministerium von Wüst. Das Ressort verantworten nun aber die Grünen. Brandes wird in der Düsseldorfer Polit-Bubble häufig genannt. Welches Ministerium sie übernehmen könnte, ist aber offen.

Der bisherige Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, könnte in die Riege der Minister aufrücken. Vorstellbar wäre aber auch, dass Liminski weiterhin die Staatskanzlei leitet, vom Staatssekretär zum Minister aufsteigt und dafür noch zusätzliche Bereiche wie Bundes- und Europaangelegenheiten oder Medien erhält. Dass er Schulminister wird, wie vornehmlich auf Twitter heftig diskutiert und befürchtet wird, gilt in Düsseldorf als unwahrscheinlich.

Parteitage und Wüst's Wiederwahl stehen noch an

Bevor die schwarz-grüne Koalition in NRW tatsächlich steht, müssen in den kommenden Tagen noch zwei Hürden genommen werden. Am Samstag stehen zunächst Parteitag von CDU und Grünen an. Dort soll das Vertragswerk noch von den Mitgliedern gebilligt werden. Eine Zustimmung gilt als sicher.

Am Dienstag steht dann im Landtag die Wahl von Hendrik Wüst zum Ministerpräsidenten an. Da CDU und Grüne im neugewählten Parlament über eine komfortable Mehrheit verfügen, dürfte es dabei keine Überraschungen geben. Wenn am Mittwoch dann auch noch das neue Kabinett vereidigt wird, kann die neue Regierung mit der Arbeit starten.

Weitere Themen