Der unterschätzte Herr Laschet

Stand: 27.06.2017, 17:36 Uhr

  • Armin Laschet ist am Dienstag (27.06.2017) zum Ministerpräsidenten gewählt worden.
  • Der Aachener wurde lange unterschätzt.
  • Akribie und Sorglosigkeit in einer Person.

Von Rainer Kellers

Es ist der 14. Mai 2017. Armin Laschet ist soeben im Landtag angekommen. Als Wahlsieger. Damit ist auf einen Schlag vieles anders. Schon bevor man ihn sieht, kommt Bewegung in die wartende Menge. Alle Köpfe wenden sich ihm zu. Laschet rauscht vorbei in einem drängelnden Pulk von Sicherheitsleuten und Kamerateams. Er lächelt etwas ungläubig, als könnte er die Veränderung selbst nicht fassen. Mit einem Mal umgibt ihn die Aura der Macht.

Wer hätte das gedacht? Armin Laschet galt vor der Landtagswahl lange als chancenlos. Juniorpartner in einer großen Koalition, das ist das Maximum, dachten viele. Sie irrten. Am Dienstag (27.06.2017) ist Armin Laschet zum Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gewählt worden.

Plötzlich hat Laschet nur noch Freunde

Es ist die erstaunliche Geschichte eines Mannes, der schon lange in der Politik ist, durchaus Erfolge gefeiert hat, dem aber die wenigsten zugetraut hätten, ganz nach oben zu kommen. Jetzt hat er es seinen Kritikern gezeigt. Und wie das so ist mit Gewinnern: Plötzlich gibt es nur noch Freunde. Kritisches hört man aus der NRW-CDU derzeit wenig. "Der Armin" habe alles richtig gemacht, sagt einer, der in der Partei gut vernetzt ist. Er habe auf die richtigen Themen gesetzt, Ruhe in die CDU gebracht und die Anhänger mobilisiert.

Laschet wird das gern hören. Der Wahlsieg dürfte für den gebürtigen Aachener eine späte Genugtuung sein. Hartnäckig haftete ihm der Ruf des ewigen Zweiten an. Unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) war Laschet Integrationsminister. Nach der Wahlniederlage 2010 wäre er gerne Fraktionschef geworden. Es setzte sich aber sein früherer Kabinettskollege Karl-Josef Laumann durch.

Röttgen konnte sich besser verkaufen

Dann nahm Laschet Kurs auf den NRW-Parteivorsitz - und musste sich wieder geschlagen geben. In einer Mitgliederbefragung unterlag er Norbert Röttgen. Der hatte sich gegenüber der Basis einfach besser verkaufen können. Den Wahlkampf 2012 fuhr Röttgen jedoch spektakulär vor die Wand. Mit 26 Prozent holte er das schlechteste CDU-Ergebnis aller Zeiten in NRW.

Also wurde Laschet doch noch Parteivorsitzender, später auch Fraktionschef. Es drängte sich allerdings auch niemand anderes auf. Richtig begeistert war die Basis nie von ihm. Der Familienvater aus dem Rheinland war vielen in der CDU zu freundlich, zu wenig durchsetzungsstark, zu brav.

Peinliche Affäre um verschwundene Klausuren

"Türken-Armin", wurde er verächtlich genannt in Anspielung an seine Zeit als Integrationsminister. Dass er sich bedingungslos hinter Kanzlerin Angela Merkel stellte, hielten nicht wenige in der Partei für einen Fehler - vor allem, als der Stern der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise zu sinken schien.

In diese Zeit fiel auch die unsägliche Klausuren-Affäre. Laschet hatte als ehrenamtlicher Dozent an der RWTH in Aachen Klausuren verschlampt und danach Noten auf Basis von Notizen vergeben. Besonders peinlich: Er benotete auch Studenten, die gar nicht mitgeschrieben hatten.

Die Affäre überschattete den geplanten Neuanfang der CDU. Bei einem Parteitag in Essen wurde mehr über die Affäre gesprochen als über das erste Grundsatzprogramm der NRW-CDU. Laschet hatte es akribisch vorbereitet, um die Partei neu aufzustellen.

Der eigentliche Oppositionsführer war ein anderer

Akribie und strategisches Denken auf der einen, sträfliche Sorglosigkeit und schlechtes Krisenmanagement auf der anderen Seite: Laschet steht für beides. Im Landtag musste er sich viel Häme anhören wegen der verschwundenen Klausuren. Überhaupt schien die rot-grüne Landesregierung den CDU-Herausforderer lange nicht wirklich ernst zu nehmen. Der eigentliche Oppositionsführer sei Christian Lindner von der FDP, hieß es oft.

Dass SPD und Grüne Laschet unterschätzt hatten, ging vielen erst auf, als es zu spät war. Den Landtagswahlkampf hatte der CDU-Chef gut vorbereitet. Er hatte aber auch das nötige Glück. Die Landesregierung bot ihm viel Angriffsfläche, der allgemeine Trend neigte sich nach dem kurzen Schulz-Hype wieder Richtung CDU, und Amtsinhaberin Hannelore Kraft schwächelte ausgerechnet dann, als es wichtig wurde.

Laschet hingegen wurde besser, angriffslustiger, selbstsicherer. Besonders gut zu besichtigen war das beim TV-Duell im WDR-Fernsehen. Die meisten Beobachter sahen Laschet vorne.

Dünne Mehrheit, überfrachteter Koalitionsvertrag

Nun ist Laschet also neuer Ministerpräsident. Er wird es nicht leicht haben. Die schwarz-gelbe Mehrheit im Landtag ist mit nur einer Stimme hauchdünn. Laschet und Lindner haben zudem im Wahlkampf hohe Erwartungen geweckt und den Koalitionsvertrag mit teuren Versprechen überfrachtet.

Und dann ist da noch die Aura der Macht. Die nämlich kann auch blind machen. Laschet wäre nicht der erste strahlende Wahlsieger, dem das passiert.

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