Laumann stellt Impfpflicht in der Pflege infrage

Stand: 27.07.2022, 17:09 Uhr

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist umstritten. NRW-Gesundheitsminister Laumann denkt nun offen über ein Ende nach. Durchgesetzt wird die Pflicht ohnehin kaum.

Von Christian Wolf

Als im Frühjahr im Bundestag über eine allgemeine Corona-Impfpflicht für jeden Bürger abgestimmt wurde, gab es dafür keine Mehrheit. Das Vorhaben war somit vom Tisch. Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht greift allerdings seit dem Frühjahr, beispielsweise für Pfleger und Ärztinnen. Doch wie lange sie noch gilt, ist völlig unklar. Inzwischen wird die Impfpflicht offen infrage gestellt.

Jüngstes Beispiel: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann denkt über ein Ende nach. Auf WDR-Anfrage erklärte der CDU-Politiker am Mittwoch:

"Wir wissen heute: Die Impfung schließt Ansteckungen nicht aus. Daher bin ich schon der Meinung, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht in der jetzigen Situation nicht mehr das Nonplusultra ist."

Aktuell sei die Impfpflicht zwar geltendes Recht. "Aber der Bundesgesetzgeber sollte die einrichtungsbezogene Impfpflicht dringend auf den Prüfstand stellen." Laumann fordert die Ampel-Regierung in Berlin also auf, über ein vorzeitiges Ende nachzudenken. Bislang ist die Impfpflicht bis zum Jahresende vorgesehen. Wird nichts anderes beschlossen, fällt sie ab Januar 2023 automatisch weg. Eine Verlängerung hält Laumann aus heutiger Sicht "nicht für sinnvoll".

FDP will eine "Impfempfehlung"

Yvonne Gebauer

Yvonne Gebauer (FDP)

Ähnlich sieht das die FDP. So sagte Yvonne Gebauer, gesundheitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion und ehemalige Schulministerin, dem WDR: "Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sollte künftig von einer Impfempfehlung abgelöst werden." Angesichts des durch die Omikron-Variante veränderten Infektionsgeschehens und des bürokratischen Aufwands sei eine Pflicht "inzwischen nicht mehr verhältnismäßig".

Krankenhausgesellschaft für Aufhebung der Impfpflicht

Zuvor war bereits die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) von der Impfpflicht abgerückt. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Henriette Neumeyer sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland": "Sie weiterzuführen, ist nach jetzigen Erkenntnissen weder sinnvoll noch vermittelbar."

Ursprünglich habe man sich als DKG für die einrichtungsbezogene Impfpflicht ausgesprochen, da in der Delta-Welle von einem hohen Schutz für vulnerable Gruppen ausgegangen worden sei, wenn das Krankenhaus-Personal geimpft ist. Studien hätten erwarten lassen, dass geimpfte Personen nicht mehr andere Menschen anstecken. Mit der Omikron-Variante sei diese Erwartung aber "hinfällig geworden", da auch Geimpfte das Virus weitergeben können. Die Impfung diene nur noch dem Selbstschutz.

Das soll bedeuten: Wenn geimpftes Pflegepersonal mit der Corona-Impfung nur noch sich selbst schützt, aber nicht die gefährdeten Patienten, dann hat die Impfpflicht ihren Zweck verloren.

Lauterbach hält an Impfpflicht fest

Widerspruch kommt hingegen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der SPD-Politiker erteilte einer vorzeitigen Aufhebung der einrichtigungsbezogenen Impfpflicht am Mittwoch eine Absage. Sie schütze alte und geschwächte Menschen, sagte eine Ministeriumssprecherin. An dieser Meinung des Ministers habe sich nichts geändert. Derzeit sei auch noch nicht geklärt, ob die Impfpflicht verlängert werde oder nicht, so die Sprecherin.

Kaum Verfahren bei Verstößen gegen Impfpflicht in NRW

Bundestag und Bundesrat hatten die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Dezember vergangenen Jahres beschlossen. Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Pflegeheimen und Kliniken mussten daraufhin bis Mitte März 2022 nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. Alle anderen mussten von den Arbeitgebern bei den Gesundheitsämtern gemeldet werden. Ihnen drohen Bußgelder bis hin zu Arbeitsverboten.

Doch in der Praxis kommt es nur sehr selten dazu. Laut dem NRW-Gesundheitsministerium wurden den Behörden 24.197 ungeimpfte Beschäftigte oder durch externe Firmen Tätige gemeldet. Allerdings wurden nur 1.479 Bußgeldverfahren eingeleitet sowie 66 Betretungs- und Tätigkeitsverbote erlassen. Die Ämter vor Ort nutzen offenbar den Spielraum, den ihnen die Politik gewährt, um ungeimpfte Pfleger, Ärztinnen oder Therapeuten doch weiterarbeiten zu lassen. Zu viel gesperrtes Personal könnte den Pflegebetrieb gefährden, so die Sorge.

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 27.07.2022 auch im Fernsehen: WDR aktuell, 12:45 Uhr.