Sexualisierte Gewalt gegen Kinder: Diskussion um Datenschutz

Stand: 30.05.2022, 19:51 Uhr

Nachdem die Kölner Polizei über 70 mutmaßliche Täter ermittelt hat, die Kindern schwere sexualisierte Gewalt angetan haben sollen, wird diskutiert, wie solche Taten besser verhindert werden können.

 

Der Verdächtige im Missbrauchsfall von Wermelskirchen soll gezielt Kontakt mit anderen Pädophilen aufgenommen haben. Sie haben sich offenbar Fotos und Videos mit kinderpornografischen Inhalten zugeschickt. Es ist solches Material, das Ermittlern helfen kann, auf neue Straftaten aufmerksam zu werden. Doch immer wieder stoßen sie an Grenzen.

Grund ist der Datenschutz. So kann über IP-Adressen theoretisch herausgefunden werden, wer Daten ausgetauscht hat. Doch diese Adressen der Nutzer bleiben nicht unendlich gespeichert und werden stattdessen gelöscht. Für die Ermittler sind sie dann nicht mehr zu gebrauchen.

Eine längere Datenspeicherung könnte helfen. Doch WDR-Digitalexperte Jörg Schieb sagt: "Die Vorratsdatenspeicherung ist zurecht umstritten, denn sie speichert anlasslos sehr viele Daten von jedem von uns. Und hier ist Missbrauch wirklich ein großes Risiko."

Nach dem jüngsten Ermittlungserfolg der Kölner Polizei fordert NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erneut mehr Rechte für die Ermittler. Dem WDR sagte er:

"Wenn mir eine Ermittlerin sagt: Herr Reul, ich habe jetzt diesen Typ mehrfach gesehen, wie er bei unterschiedlichen Kindern unterwegs war und ich komm nicht an seine wahre Adresse, das müssen Sie jetzt machen. Und sie wissen, das bekommen sie nicht hin, weil es das Recht nicht hergibt, dann sind sie verdammt unzufrieden mit sich selber." Herbert Reul

Die Vorratsdatenspeicherung würde es ermöglichen, Täter leichter zu identifizieren. Allerdings ist sie sowohl auf nationaler Ebene als auch auf europäischer Ebene sehr umstritten. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) rechnet damit, dass sie auch künftig rechtlich nicht anwendbar sein wird.

EU-Kommission möchte Messenger-Dienste überwachen

Doch es geht nicht nur um die Speicherung von Nutzerdaten. Ganz aktuell möchte die EU-Kommission Anbieter von Messenger-Diensten wie Whatsapp, Signal oder Threema dazu verpflichten, die Nachrichten ihrer User gezielt nach Darstellungen von sexualisierter Gewalt an Kindern zu scannen.

Datenschützer kritisieren EU-Pläne

Doch auch gegen diese Pläne laufen Datenschützer Sturm. Kinder besser vor sexuellen Übergriffen zu schützen gehe nicht, "indem man alle digitalen Privatnachrichten durchschnüffelt", sagt Patrick Beyer von der Piratenpartei. Der EU-Abgeordnete beschäftigt sich seit Jahren mit Datenschutz.

Und selbst vom Deutschen Kinderschutzbund kommt Kritik. Dort befürchtet man, dass durch die geplante Kontrolle nicht vermehrt der Missbrauch von Kindern verhindert würde, sondern Fälle von Sexting unter Jugendlichen zur Anzeige gebracht werden könnten. So nennt man es, wenn Jugendliche in privaten Chats beispielsweise Nacktbilder austauschen.

"Wir fürchten, wenn Messenger und Chats flächendeckend überwacht werden, dass dann eher die Zahl dieser Fälle steigt, dass dann immer noch mehr Jugendliche kriminalisiert werden, während die Pädophilen selbst auf andere Plattformen ausweichen", sagt Joachim Türk aus dem Bundesvorstand des Deutschen Kinderschutzbundes.

Faeser: Strafverfolgung und Datenschutz schließen sich nicht aus

"Datenschutz und Kinderschutz scheinen sich manchmal diametral entgegenzustehen", bestätigte auch Julia von Weiler, Geschäftsführerin von "Innocence in Danger e.V.", dem WDR.

Das sieht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht ganz so drastisch. Aus ihrer Sicht schließt Härte, "um gegen diese widerliche Form der Kriminalität vorzugehen, nicht aus, dass wir nicht auch private Daten schützen", so Faeser im "Bericht aus Berlin".

Die Bundesregierung wolle weiterhin öffentliche Plattformen im Internet sowie nicht verschlüsselte Chats nach kinderpornographischem Material durchsuchen. "Wir wollen aber nicht in verschlüsselte private Kommunikation reinschauen", so Faeser. "Deswegen werden wir eine differenzierte Stellungnahme zu der EU-Richtlinie abgeben."

Reul hofft auf Lösung bei Datenschutz

NRW-Innenminister Reul hofft dennoch darauf, dass die Polizei in Zukunft schneller mutmaßlichen pädophilen Straftätern auf die Spur kommt und damit mögliche Taten verhindern kann. "Wie bekommen wir das trotz Datenschutz klug hin?", so Reul im Gespräch mit dem WDR. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass kluge Menschen dafür keine Lösung finden."