23.06.2022, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Ministerpräsident Hendrik Wüst und Mona Neubaur, Vorsitzende der Grünen in Nordrhein-Westfalen, stellen den Koalitionsvertrag vor

Kommentar: Dieser Vertrag ist ein gelungener Start für Schwarz-Grün

Stand: 23.06.2022, 17:23 Uhr

Alte Gegensätze überwinden - das ist die Geschäftsgrundlage für die neue Koalition aus CDU und Grünen. Der Koalitionsvertrag ist dafür ein vielversprechender Plan. Ein Kommentar.

Von Arne HellArne Hell

Die neue NRW-Landesregierung ist formal noch gar nicht im Amt, aber der Start ist ihr trotzdem schon mal gelungen. Der Plan, den CDU und Grüne in Form eines Koalitionsvertrages vorgelegt haben, ist vielversprechend.

Er ist in vielen Punkten erstaunlich konkret. Er beschreibt Lösungen für wesentliche Probleme, die die bisherige Landesregierung nicht angehen wollte. Und er ist ganz offensichtlich entstanden in einem konzentrierten und sachorientierte Miteinander, in dem sich beide Seiten in den vergangenen fünf Wochen an ihre Absprachen gehalten haben. So ist schon mal ein Stück Vertrauen entstanden, das die neuen Partner brauchen, wenn sie die 5 Jahre gemeinsam erfolgreich gestalten wollen.

Arne Hell

Arne Hell, WDR Landespolitik

Das Leitmotiv von Schwarz-Grün in NRW ist: Alte Gegensätze überwinden. Das klingt nach Politiker-Gerede, tatsächlich ist es für diese Koalition aber die Geschäftsgrundlage. Im Koalitionsvertrag wird es direkt im ersten Kapitel greifbar: „Klimaneutrales Industrieland“ steht da.

Das klingt, als hätten die Grünen sich durchgesetzt. Und tatsächlich finden sich auf den nächsten 15 Seiten jede Menge Maßnahmen, die die Grünen schon länger gefordert haben. Eine Solarpflicht für Neubauten etwa oder die Abschaffung der starren 1000-Meter-Abstandsregel für Windräder.

Klima, Taser, Wahlrecht

Tatsächlich folgt das Ganze aber dem Leitgedanken, den Ministerpräsident Hendrik Wüst etwas überraschend schon bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr vorangestellt hatte: Klimaneutral werden und dabei trotzdem wettbewerbsfähig bleiben, Industrieunternehmen am Laufen halten, Arbeitsplätze und Wohlstand sichern. Klimaschutz nicht nur aus Umweltschutzgründen, sondern als Standortvorteil. Die Koalition mit den Grünen in NRW ist für die CDU eine gute Gelegenheit, der eigenen Wählerschaft diese Veränderungen als nötigen Kompromiss zu verkaufen.

Ansonsten haben die Grünen darauf verzichtet, sich in weltanschauliche Fragen zu verbeißen, etwa darüber, wie das Schulsystem geändert werden könnte oder wie einfach Kirchenaustritte möglich sind. In der Innen- und Sicherheitspolitik hat die CDU sich durchgesetzt. Polizisten in NRW dürfen sogar weiter Taser benutzen, also Elektroschocker. Dafür hat die CDU erstaunlich schnell zugestimmt, dass bei Landtagswahlen in Zukunft ab 16 Jahren gewählt werden darf.

Eine Frage des Geldes

In vielen anderen Fragen waren sich CDU und Grüne ohnehin grundsätzlich einig. Z.B. dass das Land Städten und Gemeinden einen Teil ihrer Altschulden abnimmt oder dass die Bezahlung von Lehrkräften angeglichen wird, egal an welcher Schule sie unterrichten. Hier wird es interessant, wie diese sehr teuren Vorhaben letztlich finanziert werden.

All das bestätigt einen Trend, der schon in Hessen und Schleswig-Holstein zu beobachten war: CDU und Grüne können sehr wohl Gegensätze vereinen und Partner sein, und das ohne großen Streit – wenn sie sich auf Sachpolitik konzentrieren und sich an Abmachungen halten. Das Fundament dafür ist jetzt auch in Nordrhein-Westfalen gelegt.

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