Ein kleines Holzkreuz hängt unter Hinweisschildern auf einer Station in einem kirchlichen Krankenhaus

Nach #Outinchurch - ist die Kirche bereit zur Reform?

Stand: 06.05.2022, 06:00 Uhr

Im Jahr 2022 darf die katholische Kirche ihren Mitarbeitenden immer noch Vorschriften für ihr Privatleben machen. Eine zweite Ehe oder ein offen queeres Leben kann sie den Job kosten. Hat sich nach #Outinchurch nichts geändert?

Von Selina Bölle und Christina Zühlke

Vor etwa drei Monaten haben sich mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche öffentlich geoutet. Sie wollten sich nicht mehr verstecken und zeigen: Wir sind queer und katholisch und das darf kein Widerspruch sein.

Damit haben sie ihren Job riskiert. Denn in der Kirche gilt nicht das allgemeine, sondern das kirchliche Arbeitsrecht.

Die Kirche hat als einziger Arbeitgeber ein eigenes Arbeitsrecht

Peter Otten

Gemeindereferent Peter Otten

Pastoralreferent Peter Otten hat das schmerzlich erlebt. Er hatte sich verliebt und wollte seine Freundin heiraten. Die war aber geschieden und zweimal kirchlich heiraten geht laut Kirchenrecht nicht. Unverheiratet zusammenleben aber auch nicht. Die Kirche hat gedroht, er könnte seinen Job verlieren.

Peter Otten: "Wir wollten damals zusammenziehen. Ein Vorgesetzer sagte, machen Sie privat doch was sie wollen, aber wenn das öffentlich wird, dann werden wir ermitteln. Die sagen wirklich ermitteln, wie bei der Polizei und Sie denken, Sie sind ein Verbrecher."

Seine Freundin hat sich durch ein vierjähriges Verfahren vor einem Kirchengericht gequält, musste intimste Fragen zu ihrem Privatleben beantworten bis die Kirche ihre Ehe annulliert hat. Erst dann durften sie heiraten.

Dass dieses Sonderrecht reformiert werden muss, will auch die Politik. Die Ampelregierung hat es sogar in den Koalitionsvertrag geschrieben.

Aber Politik darf nicht über kirchliches Arbeitsrecht entscheiden

Benjamin Strasser, parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium fordert dennoch im WDR Interview: "Die Mehrzahl der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen sollen nach der Vorstellung der Koalition dem normalen Arbeitsrecht unterliegen. Das bedeutet, dass beispielsweise eine Kindergärtnerin nicht mehr einfach so gekündigt werden kann, weil sie lesbisch ist."

Ob die Kirche diese Forderung umsetzt, darauf hat die Politik keinen Einfluss. Denn die Kirchen haben in Deutschland eine Sonderstellung. Das Grundgesetz erlaubt den Kirchen in ihren Einrichtungen, wie Krankenhäusern, Kitas oder Schulen ihr eigenes Arbeitsrecht durchzusetzen, obwohl die Einrichtungen oft komplett oder zum Großteil vom Staat finanziert werden.

Kirche hat Reformen angekündigt

Die katholische Kirche hat erkannt, dass es Zeit für Reformen ist und will das kirchliche Arbeitsrecht erneuern. Eine Arbeitsgruppe, der auch der Kölner Kardinal Woelki angehört, hat nach WDR-Informationen einen ersten Entwurf erarbeitet. Der muss noch diskutiert und am Ende von allen 27 Bischöfen akzeptiert werden. Ob und wann sich für die Betroffenen etwas ändern wird, hat die Bischofskonferenz offen gelassen.

Peter Otten hofft wie hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche, dass ihr Privatleben in Zukunft ein echtes Privatleben ist.

Weitere Themen