Inflation: Deshalb bleibt trotz steigender Löhne weniger übrig

Stand: 30.05.2022, 19:23 Uhr

Anfang des Jahres sind die Löhne zwar deutlich gestiegen. Doch wegen der hohen Inflation ist das Plus wieder verpufft. Experten glauben nicht, dass sich daran so schnell etwas ändert.

Von Christian Wolf

Von Preisexplosionen und Rekordwerten bei der Inflation ist in diesen Tagen viel die Rede. Deshalb zur Abwechslung zunächst mal etwas Positives: In den ersten Monaten des Jahres sind die Löhne deutlich gestiegen. Konkret war es von Januar bis März ein Plus von vier Prozent.

Das heißt: Im Durchschnitt hatten die Menschen in Deutschland theoretisch mehr Geld im Portemonnaie. Waren es vor einem Jahr zum Beispiel 2.000 Euro Bruttolohn, so stieg der nun auf 2.080 Euro. Verantwortlich dafür waren vor allem Sonderzahlungen wie Corona-Prämien in bestimmten Branchen.

Realer Lohn wegen Inflation im Minus

Doch das ist es dann leider auch schon mit den guten Nachrichten. Denn die höheren Löhne wurden durch die noch höhere Inflation "aufgefressen". Die lag in den ersten drei Monaten nämlich bei 5,8 Prozent. Aus den theoretisch vier Prozent Lohnplus wurde somit ein Minus von 1,8 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Der reale Lohn ist wegen der Inflation deutlich zurückgegangen. Vielen steht damit weniger Geld zur Verfügung.

Preise steigen weiter

Und daran dürfte sich vorerst auch nichts ändern. Denn die Inflation ist inzwischen noch viel höher als in den ersten drei Monaten. Erst am Montag hat das Statistische Bundesamt seine Schätzung für den Mai veröffentlicht. Demnach stiegen die Preise um 7,9 Prozent - so stark wie seit annähernd 50 Jahren nicht mehr. In NRW lag der Wert sogar bei 8,1 Prozent.

Vorerst kein Plus bei Löhnen zu erwarten

Wenn die hohen Preise kein Problem für die Menschen sein sollen, müssten die Löhne im gleichen Zug steigen. Doch ein solches Plus zeichnet sich nicht ab. Daher muss davon ausgegangen werden, dass es weiterhin ein Minus bei den Reallöhnen gibt.

Davon ist auch das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) überzeugt. Die Experten rechnen dort damit, dass die Reallohnverluste zumindest bis zum Jahresende anhalten. "Im kommenden Jahr ist eine Trendwende möglich", sagt der wissenschaftliche Direktor Sebastian Dullien. Doch selbst wenn es dann wieder ein Plus gäbe, dürften die Verluste aus diesem Jahr damit nicht sofort aufgeholt werden.

Dullien fordert deshalb von der Politik, dass sie mit gezielten Entlastungspaketen hilft, damit das Minus nicht zu groß wird und sich die Kaufkraft der Menschen stabilisiert. Die Ampel-Regierung hat da zwar schon einiges auf den Weg gebracht. Aber einige Haushalte wie jene von Rentnerinnen und Rentnern und Studierenden bleiben da außen vor.

Lohnforderungen im Fokus

Geht es um die Löhne, ist vor allem interessant, was die großen Gewerkschaften machen. Denn sie haben die Macht, für viele Beschäftigte mehr Geld zu erkämpfen. Aktuelles Beispiel ist die IG Metall. Sie fordert für die anstehende Tarifrunde in der Eisen- und Stahlindustrie 8,2 Prozent mehr Geld. Die derzeitige Inflation würde damit ausgeglichen.

Sorge vor Lohn-Preis-Spirale

Doch es gibt auch eine Schattenseite von solch hohen Forderungen. Das Stichwort lautet Lohn-Preis-Spirale. Setzt sich diese in Gang, droht die Inflation zu einer gefährlichen Dauerschleife zu werden. Denn: Wenn die Inflation hoch ist und dementsprechend höhere Löhne gefordert werden, führt das dazu, dass die Firmen mehr für das Gehalt ausgeben müssen. Die Kosten sind also höher. Und wie können die wieder reingeholt werden? Durch noch einmal höhere Preise. Die sorgen dann aber wieder dafür, dass erneut mehr Gehalt gefordert wird.

Gibt es da überhaupt einen Ausweg? Als positives Beispiel, wie eine Lohn-Preis-Spirale verhindert werden kann, wird in diesen Tagen die deutsche Chemieindustrie genannt. Denn dort haben sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darauf verständigt, dass es eine einmalige Sonderzahlung gibt. Dadurch haben die Beschäftigten mehr in der Tasche, die Firmen werden aber nicht dauerhaft höhere Lohnausgaben belastet. Ob auch andere diesen Weg gehen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

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