Bauministerin gegen Neubau von Einfamilienhäusern - das steckt dahinter

Stand: 16.04.2022, 18:22 Uhr

Bundesbauministerin Klara Geywitz ist gegen den Neubau von Einfamilienhäusern - der sei "ökonomisch und ökologisch unsinnig". Die Ministerin wirbt für einen "anderen Nutzungszyklus". Was dahinter steckt.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat sich in einem Zeitungsinterview gegen den Neubau von Einfamilienhäusern ausgesprochen. Es sei nicht sinnvoll, dass eine Familie zunächst zu fünft auf 150 Quadratmetern wohne, dann aber die Kinder ausziehen – "und das Haus schrumpft in dem Moment nicht", sagte sie der taz. In den hunderttausenden Einfamilienhäusern, die in Deutschland seit den 1950er Jahren gebaut worden seien, lebten daher "meist keine Familien mehr, sondern ein oder zwei Senioren".

Geywitz wünscht sich einen "anderen Nutzungszyklus", bei dem diese Senioren auf kleinere Wohnungen ausweichen, sodass jüngere Familien die alten Häuser kaufen und entsprechend sanieren könnten. Für diese Sanierungen müsste es dann aber laut Geywitz auch staatliche Anreize geben. "Dann kann man beides vereinbaren: Fläche sparen und den Wunsch vom eigenen Haus ermöglichen."

Immer mehr Fläche pro Kopf

Die Problematik zeigt sich nicht nur bei Häusern, sondern auch bei Wohnungen. Zahlen vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zeigen, dass ein alleinlebender Mensch über 75 im Jahr 1978 noch 55 Quadratmeter für sich zu Verfügung hatte - im Jahr 2010 waren es bereits 78. Die Wohnfläche für jüngere Menschen in Einpersonenhaushalten hat sich jedoch seit 1978 nicht verändert und liegt bei unter 50 Quadratmetern.

Mit dem großen Flächenverbrauch wachsen natürlich auch Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen. Allein 25 Prozent der Treibhausgasemissionen Europas werden durch den Energieverbrauch von Gebäuden verursacht, zeigen Studien.

Umdenken im Wohnbereich nötig

Daher plädiert Geywitz auch dafür, dass generell anders gebaut werden müsse: kleinere Wohnflächen, dafür größere Gemeinschaftsflächen. Genau wie in anderen Lebensbereichen wie Nahrung oder Mobilität müsse auch das Wohnen neu gedacht werden.

Kölner Stadtplaner teilt die Kritikpunkte der Ministerin

Der Kölner Stadtplaner und Architekt Stefan Schmitz teilt die Kritikpunkte der Bundesbauministerin. Er sieht das Problem auch darin, dass zu viele neue Bauflächen ausgewiesen werden. Besser wäre es, innerhalb der Städte den Wohnraum zu verdichten – beispielsweise per Dachaufbauten oder indem man Grundstücke besser ausnutzt.

Seiner Meinung nach ist das Sanieren älterer Bauten durchaus sinnvoll. Es sei ein "Grundprinzip von Städtebau, dass man bestehende Gebäude und bestehende Infrastruktur nutzt und nicht einfach weghaut." Auch das sei ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

Trotzdem wird besonders aus Kostengründen immer noch häufiger abgerissen und neu gebaut als saniert. "Wir haben ein Baurecht, aber kein Umbaurecht", sagt die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker dazu im ZDF. Ein Bestandsgebäude weiter zu entwickeln sei in Deutschland extrem schwierig, daher würdeoft eher abgerissen, als umgebaut oder saniert.

Wenn schon neu, dann energiesparend

Bei Neubauten ist es laut Ministerin Geywitz hingegen wichtig, auf klimafreundlichere Baumaterialien umzusteigen. Lehm und Holz seien dafür "eine super Möglichkeit, man kann auch mehrgeschossig damit bauen.“ Im Prinzip stimmt das: Laut einer Studie von 2014 ließe sich der globale CO2-Ausstoß tatsächlich um bis zu 32 Prozent senken, wenn die Baubranche mehr auf Holz statt auf Beton und Stahl setzen würde. Allerdings macht der weltweite Holzmangel dem nachhaltigen Bauen aktuell einen Strich durch die Rechnung-

Neu sind die Argumente der SPD-Politikerin Geywitz übrigens nicht: Schon 2021 hat der damalige Grünenfraktionschef Anton Hofreiter Zweifel am Einfamilienhaus angemeldet - und dafür sehr viel Kritik einstecken müssen.

Über das Thema berichtet das WDR-Fernsehen am 16.4. in der Aktuellen Stunde.

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