Es ist bereits der sechste Streik innerhalb der laufenden Tarifrunde, die im November 2023 begonnen hat: Seit 2 Uhr am Dienstagmorgen wird der Personenverkehr der Deutschen Bahn für 24 Stunden bestreikt. Im Güterverkehr hat der Ausstand bereits am Montag um 18 Uhr begonnen.
Die ständigen Streiks der GDL sorgen für viel Unmut: Für den Fahrgastverband Pro Bahn haben die gegenseitigen Vorwürfe der Tarifparteien nur noch "begrenzten Unterhaltungswert", hieß es in einer Mitteilung: "Wenn alle Argumente (mehrfach) ausgetauscht sind, bleibt wohl nur noch Schimpferei." Die Industrie ist ebenfalls genervt: "Mit solchen Aktionen wird der ohnehin schon angeschlagene Wirtschaftsstandort Deutschland weiter schwer belastet. Stillstand auf der Schiene können wir uns einfach nicht mehr leisten", sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI).
Und auch die Politik arbeitet sich am erneuten Streik ab. "Pendler und Unternehmen müssen sich Weselskys Ego-Show nicht bieten lassen. Der Standort Deutschland nimmt Schaden", schrieb beispielsweise Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann auf "X", ehemals Twitter. Der Bundestagsabgeordnete und frühere Linke-Chef Bernd Riexinger hält die GDL-Forderungen hingegen für berechtigt: "Schuld am Bahnstreik trägt ausschließlich die Deutsche Bahn, ihr Vorstand und der Verkehrsminister", schrieb er auf "X".
Überzogene GDL-Forderung? Viele Bahnunternehmen haben sie schon erfüllt
Aber warum kommt seit Monaten keine Bewegung in die Verhandlungen? Warum sind die Fronten so verhärtet? Das liegt vor allem an den anderen Tarifverträgen, die die GDL zuletzt abgeschlossen hat. Denn die Deutsche Bahn ist zwar das größte, aber bei weitem nicht das einzige Transportunternehmen, das Lokführer beschäftigt.
Insgesamt gibt es knapp 60 Eisenbahnverkehrs-Unternehmen und mit fast der Hälfte von ihnen hat sich die GDL schon geeinigt. Unter anderem mit Transdev, dem zweitgrößten Betrieb nach der Deutschen Bahn. Hier konnte die GDL genauso wie in den Verhandlungen mit den Unternehmen AKN, Netinera oder Go-Ahead ihre wichtigste Forderung durchsetzen: Eine 35-Stunden-Woche für Beschäftigte im Schichtdienst bei vollem Lohnausgleich.
Und was bei vielen der kleineren Unternehmen durchsetzbar war, muss auch bei der Deutschen Bahn klappen: So argumentiert GDL-Chef Claus Weselsky, der den Transdev-Abschluss als "neue Marktreferenz" bezeichnete, die sich weiterhin durchsetzen werde und nicht mehr aufzuhalten sei. Der Bahn hingegen geht die Forderung zu weit. Sie bietet derzeit ein Gesamtpaket, das unter anderem eine 36-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich beinhaltet.
GDL in ständiger Konkurrenz zu Gewerkschaft EVG
Dazu kommt, dass sich vor allem GDL-Chef Weselsky als harter Verhandlungspartner präsentiert. Im Gegensatz zur konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die circa 185.000 Mitglieder verzeichnet, hat die GDL nur ca. 40.000. Um für ihre Mitglieder attraktiv zu bleiben, sind die GDL-Forderungen an die Bahn traditionell größer.
Auch beim heiklen Thema Arbeitszeit: Bei den Tarifverhandlungen, die die EVG im vergangenen Jahr mit der Bahn führte, ging es in erster Linie um mehr Lohn, von einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 35 Stunden war nicht die Rede. Das wiederum dient der Bahn als Argumentation gegen eine Arbeitszeitverkürzung: Warum, so das Kalkül, sollten die GDL-Lokführer vier Stunden weniger arbeiten als die in der EVG organisierten?
Kann eine Schlichtung für einen Kompromiss sorgen?
Die Situation ist verfahren, ein Kompromiss scheint nicht in Sicht. Der erste Versuch der Bahn, den Streik per Gerichtsbeschluss zu stoppen, scheiterte. Weselsky und die GDL geben sich kämpferisch. Am Ende könnte eine formale Schlichtung helfen, die Positionen anzunähern: Dabei werden neutrale Dritte eingesetzt, die anders als die beiden bereits eingesetzten Moderatoren die Fäden in der Hand halten und die Verhandlungsführung gestalten. Am Ende stünde dann ein Schlichterspruch, sollten sich die Tarifparteien nicht einigen können. Die GDL hatte eine Schlichtung zuletzt abgelehnt.
Unsere Quellen:
- Pro Bahn
- Deutsche Bahn
- GDL
- dpa
- AFP
- Wirtschaftswoche